Abseits der Überwachung durch Social Medias verfliegt das Bedürfnis permanent fotokompatibel zu sein.

Foto: Elmar Gubisch

Dass Fahrrad und Emanzipation zusammengehören, ist nicht neu. Blöderweise wissen das meist genau jene Menschen nicht, die von diesem Wissen am meisten profitieren könnten: Junge Mädchen, deren Selbstbild und Selbstbewusstsein gerade von den Entsprech- und Gefallzwängen von Instagram und Co definiert werden, haben dann, wenn sie von furchtlos-fröhlichen Mädchen zu rollenbildkonformen "Mädchen" werden, selten gehört, welche Rolle das Fahrrad im 19. Jahrhundert in der Frauenbewegung spielte: Es machte Frauen mobil und damit unabhängig. Es ermächtigte – und führte einschränkende Bekleidungsnormen ad absurdum: Sufragetten und das Rad – das gehört zusammen.

Mädchen auf Mountainbikes

Klar: Historisches Wissen ist keine Handlungsanleitung – schon gar nicht für Teenager. Aber man kann Theorie ins Hier und Jetzt übersetzen: In den USA adaptieren Initiativen wie die "Dirt Divas" den Sufragetten-Rad-Ansatz – und schicken Mädchen auf Mountainbikes in den Wald: Abseits der permanenten Sicht- und Überwachbarkeit von Schulhof und Social Media verfliegt die Scheu, Herausforderungen auf Anhieb und fotokompatibel zu meistern.

Insta No-Gos

Die Mädchen begreifen, dass sie nur sich – sonst niemandem – etwas beweisen müssen. Nur dann, wenn sie es selbst wollen. Darüber hinaus lehren Erfolgserlebnisse, wie wurscht Dreck und Styling-"Fehler" sind, die auf dem Campus und auf Insta No-Gos wären. Und: Die Mädchen lernen, dass sie schaffen, was ihre Mütter nie wagten. Denn BMX-Räder bekamen in den 1990ern meist nur die Buben. (Thomas Rottenberg, 27.3.2019)