In den USA mag man derzeit nicht gut auf Huawei zu sprechen sein, im Rest der Welt legt der chinesische Hardwarehersteller hingegen gerade einen beeindruckenden Aufstieg hin. Das Unternehmen ist drauf und dran, Samsung den Titel als erfolgreichster Smartphoneanbieter streitig zu machen. Und ein wichtiges Puzzlestück auf dem Weg dorthin hat Huawei nun im Rahmen eines Presseevents in Paris präsentiert. Mit dem P30 und dem P30 Pro gibt es zwei neue Topmodelle, mit denen der Konzern nicht nur Samsungs Galaxy S10, sondern auch Apples aktueller iPhone-Generation Konkurrenz machen will.

Wichtiger Hinweis

DER STANDARD hatte bereits im Vorfeld die Möglichkeit, erste Eindrücke von beiden neuen Geräten zu sammeln. Dabei muss – wie immer – betont werden, dass solch ein Hands-on in einem sowohl zeitlich als auch räumlich eng begrenzten Rahmen stattfindet, womit etwa keinerlei Erfahrungen zur Akkulaufzeit gesammelt werden können, und auch die Aussagen zur Kamera sind mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten. Diese Fragen sollen dann später in einem ausführlichen Test näher beleuchtet werden.

Das Huawei P30 Pro.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Groß wird größer

Zunächst zu den wichtigsten Eckdaten: Mit einer Bildschirmgröße von 6,1 beziehungsweise 6,47 Zoll bieten das P30 und das P30 Pro noch einmal mehr Platz für die Darstellung als die direkten Vorgänger. Als Bildschirm kommt bei beiden Modellen ein OLED zum Einsatz, wobei dessen Auflösung nicht ganz mit anderen Topgeräten mithalten kann und bei 2.340 x 1.080 Pixel liegt. Gerüchteweise wird das Display von Samsung zugeliefert, die Darstellungsqualität ist entsprechend sehr gut. Mit dem Galaxy S10 kann das Huawei-Smartphone aber weder in Hinblick auf Helligkeit noch Schärfe mithalten. Samsung reserviert die besten Panels also offenbar für sich selbst.

Die Rückseite des P30 Pro. Huawei bietet hier gleich zwei Varianten mit unterschiedlichen Farbverläufen an – neben schnödem Schwarz.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Kamera

Das zentrale Verkaufsargument für die P30-Reihe soll aber ohnehin ein anderes werden: Eine wahre Revolution verspricht Huawei für seine Smartphone-Kameras. Und tatsächlich hat man im Vergleich zum in dieser Hinsicht ohnehin bereits sehr starken P20 noch einmal gehörig nachgebessert. So gibt es nun an der Rückseite gleich vier Sensoren für die Fotoerstellung. Die Hauptkamera des P30 Pro bietet dabei 40 Megapixel bei einer Blende von f/1.6 und optischer Bildstabilisierung. Interessant ist aber vor allem ein Detail, das Huawei "Superspectrum" nennt: Der Sensor ist nämlich mit einem RYYB-Bayer-Filter versehen, wobei statt grüner gelbe Pixel eingesetzt werden. Diese Anordnung soll vor allem mehr Licht einfangen – und zwar ohne die restliche Bildqualität negativ zu beeinflussen.

Ein abschließendes Urteil in dieser Hinsicht lässt sich wie erwähnt mit so einem kurzen Hands-on natürlich nicht erstellen. Aber schon hier zeigt sich, dass die Kamera des P30 Pro tatsächlich sehr lichtstark ist. So liefert es auch in Situationen noch brauchbare Bilder, wo selbst Googles Nachtmodus bereits versagt. Bei etwas mehr Licht fällt der erste Eindruck hingegen etwas anders aus, hier erscheint die Farbgebung des Pixel 3 ausgeglichener. Bei besseren Lichtverhältnissen reagiert die Kamera flott, und die erstellten Bilder wirken auf den ersten Blick auch sehr ansprechend, wenn auch im Detail oft stark geglättet.

Der Kameraaufbau des P30 Pro kann sich sehen lassen.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Zoom

Das – versprochen – große Highlight der Kameraanordnung des P30 Pro ist aber ohnehin ein anderes: Ist hier doch eine Linsenanordnung ins Smartphone gepackt worden, die einen fünffachen optischen und zehnfachen hybriden Zoom ermöglichen soll. Diese Periskop-Anordnung bricht dabei das Licht um 90 Grad, damit sich all das auch nebeneinander positioniert im Smartphone ausgeht. Hinter alldem stehen ein 8-Megapixel-Sensor und eine Blende von f/3.4; auch diese Kamera ist mit OIS ausgestattet. Im Hands-on wirkte die Zoomfunktion denn auch wirklich vielversprechend. Zwar hatte das P30 Pro immer wieder Probleme mit dem Autofokus, so etwas sollte sich aber auch über die Software regeln lassen.

Weitwinkel

Als Nächstes gibt es noch eine Weitwinkelkamera mit einem 20-Megapixel-Sensor und einer Blende von f/2.2. Im Vergleich zu den anderen Komponenten – und auch zum Pendant beim Galaxy S10 – wirkt diese aber eher unspektakulär. Sehr interessant ist dafür die Aufnahme eines "Time of Flight"-Sensors, der – ähnlich wie bei Microsofts Kinect – Tiefeninformationen erfasst. Dies könnte theoretisch also sogar für so Spielereien wie eine neuartige Gestensteuerung genutzt werden, derzeit beschränkt sich Huawei aber auf die Verbesserung der Fotoqualitäten.

Ein Schnappschuss mit dem P30 Pro liefert gute Ergebnisse. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber auch Huaweis Neigung zum Verwischen der Details.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Ein weiteres Extra ist ein Super-Makro-Modus, mit dem sehr nah an ein Objekt herangegangen werden kann – bis zu 2,5 Zentimeter Abstand verspricht der Hersteller. Zudem gibt es eine Option zur Langzeitbelichtung nicht nur für Nachtaufnahmen – auch am Tag können damit Fotos erstellt werden, etwa um fließende Wassereffekte zu erzeugen. Besonders stolz ist man auch auf den Bokeh-Effekt, der mehrere Ebenen unterschiedlich stark unscharf stellt und so einen zu einer DSLR vergleichbaren Look bieten soll.

Unterschiede

Dass bei den Spezifikationen immer auf das P30 Pro referenziert wurde, ist kein Zufall: Das kleinere Modell kommt nämlich mit diversen Abstrichen. So gibt es hier etwa nur dreifach optischen Zoom, und die Hauptkamera hat zwar auch einen 40-Megapixel-Sensor, aber nur f/1.8 und keinen "Superspectrum"-Ansatz. Die Weitwinkelkamera kommt hier mit 16 Megapixel aus, und einen "Time of Flight"-Sensor gibt es beim kleinen Modell ebenfalls nicht. Auch die Bildstabilisierung ist beim P30 Pro besser.

Der Nachtmodus von P30 Pro (links) und Pixel 3 im Vergleich. Beide Aufnahmen sind bei fast kompletter Dunkelheit entstanden, die Helligkeit ergibt sich durch die lange Belichtung. Angemerkt sei, dass es bei beiden Smartphones schwierig war, in diesem Setting noch ein scharfes Bild zu bekommen. Es wurden also mehrere Versuche benötigt. Zudem ist die Belichtungsdauer beim P30 Pro etwas länger.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Apropos: Deutliche Verbesserungen verspricht Huawei auch für die Videofähigkeiten seiner Smartphones. Durch eine Kombination aus optischer und elektronischer Stabilisierung sollen Aufnahmen deutlich stabiler sein – ein Ansatz, den man schon von Google und Samsung kennt. Im Kurztest bestätigte sich diese Behauptung weitgehend, auch wenn subjektiv die Stabilisierung von Samsung noch etwa besser wirkt. Zudem kann das P30 Pro auch "nur" maximal mit 4K-Aufnahmen bei 30 Bildern pro Sekunde aufwarten, die Konkurrenz kommt hier auf 60 FPS. Künftig soll es dafür beim P30 (Pro) möglich sein, Videos mit zwei Kameras gleichzeitig aufzunehmen, also etwa ein normales mit einem Weitwinkelvideo zu kombinieren. Bei den aktuellen Testgeräten ließ sich das aber noch nicht ausprobieren.

Selfies

Eine Frontkamera gibt es natürlich auch: Diese weist 32 Megapixel (f/2.0) auf und ist in einem sogenannten "Teardrop Notch" untergebracht. Der Ausschnitt aus dem Bildschirm ist hier also erfreulich gering. Die gelieferte Bildqualität wirkt auf den ersten Blick hingegen eher durchschnittlich. Eine Gesichtserkennung wie beim Mate 20 Pro gibt es übrigens nicht.

Abmessungen

Durchaus gelungen ist die Verarbeitung der beiden neuen Smartphones, wobei natürlich die starke seitliche Abrundung des Pro-Modells Geschmackssache ist. Die kleinere Ausführung verzichtet darauf, was nicht zuletzt dazu führt, dass sie besser in der Hand liegt. Die offiziellen Abmessungen sind 149,1 x 71,4 x 7,6 mm für das P30 und 158 x 73,4 x 8,4 mm für das P30 Pro. Das Gewicht liegt bei 165 beziehungsweise 192 Gramm.

Nebeneinander: Huawei P30 Pro (links) und P30.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Fingerprint-Schwäche

Entsperrt wird das Smartphone vor allem mittels Fingerabdruck, und hier liefert Huawei einen Sensor unter dem Display. Dieser funktionierte beim Ausprobieren recht flott und auch zuverlässig. Gleichzeitig muss sich der Hersteller für diese Wahl auch Kritik gefallen lassen – handelt es sich doch dabei um einen optischen Sensor, und diese sind bekanntermaßen einfach auszutricksen, aus einer Sicherheitsperspektive stellt dies also eine schlechte Wahl dar.

Akku

Der Akku umfasst beim P30 3.650 mAh, beim P30 Pro sind es gar 4.200 mAh, beides Werte, die eine lange Akkulaufzeit versprechen. Dank 40 Watt Supercharge soll das P30 Pro innerhalb von 30 Minuten von null auf 70 Prozent geladen sein. Beim kleineren Modell gibt es diesen extraschnellen Lademodus nicht, hier muss man mit normalem Schnellladen auskommen. Was dem P30 ebenfalls fehlt: drahtloses Laden, dieses ist dem Pro-Modell vorbehalten. Bei diesem geht der Ladevorgang dafür dann wieder in beide Richtungen, der Akku kann also auch mit anderen Geräten geteilt werden.

Der Notch fällt bei beiden Geräten sehr klein aus.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Spezifikationen

Als Prozessor kommt – wie schon beim Mate 20 – ein Kirin 980 von Huawei selbst zum Einsatz. Dabei handelt es sich um einen Octacore mit 2/2/4 Aufbau (2 x 2,6 GHz A75, 2 x 1,92 GHz A75, 4 x 1,8 GHz A55). Dieser ist zudem mit einem Dual-AI-Beschleuniger sowie mit einer ARM Mali 76 GPU ausgestattet. Die Performance dieses Chips ist sehr gut, wie mittlerweile wohldokumentiert ist. Lediglich bei der Grafikleistung ist ein Snapdragon 855 merklich flotter. Der lokale Speicherplatz liegt beim P30 Pro je nach Modell zwischen 128 und 512 GB, beim P30 gibt es nur eine Ausführung mit 128 GB. Erweitern lässt sich das Ganze dann wieder über eine Nano-Memory-Karte von Huawei. Das RAM liegt sowohl beim P30 als auch bei der kleinsten Variante des P30 Pro bei 6 GB. Die Modelle mit 256 und 512 GB Datenspeicher haben dann auch 8 GB RAM.

Bei den weiteren Eckdaten zeigen sich wieder einige bemerkenswerte Unterschiede zwischen den beiden Ausführungen: So ist etwa nicht nur der LTE-Support beim Pro-Modell besser (Cat. 21 vs. Cat. 16), selbst beim Schutz vor dem Eindringen von Wasser und Staub mach Huawei Unterschiede in der Ausstattung. Während das P30 Pro – wie die meisten anderen Anbieter – IP68 garantiert, muss das P30 mit IP53 auskommen. Dafür gibt es nur beim kleinen Modell eine klassische Kopfhörerbuchse.

Gibt es nur beim kleineren Modell: eine Miniklinkenbuchse.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Als Software kommt bei beiden Geräten Android 9 zum Einsatz, wobei dies von Huawei mit seinem EMUI (9.1) bekannt umfangreich umgebaut wurde. Prinzipiell gibt es dezentere und schlankere Android-Versionen, gleichzeitig muss aber auch betont werden, dass EMUI schon einmal schlechter war, und natürlich können viele Software-Bestandteile unter Android nach Belieben ausgetauscht werden.

Verfügbarkeit

Als Preis nennt Huawei für das P30 699 Euro. Das Pro-Modell ist in der kleinsten Ausführung dann mit 899 Euro schon erheblich teurer. Die Ausführung mit 256 GB kostet 999 Euro, jene mit 512 GB soll vorerst nicht in Österreich auf den Markt kommen.

Sowohl Huawei P30 als auch P30 Pro können ab sofort vorbestellt werden, der offizielle Verkauf startet dann am 29. März. Dabei sollen die Geräte sowohl im freien Handel als auch bei allen großen Mobilfunkern zu haben sein. Wer bis zum 7. April zuschlägt, erhält die ebenfalls neue Smartwatch Huawei GT Active kostenlos dazu. (Andreas Proschofsky, 26.3.2019)