Mehr als hunderttausend Haushalte kämpfen in Österreich mit der Kostenbelastung durch Strom und Heizung.

Foto: Imago / xblickwinkel/McPhotox/BerndxLeitnerx

Wien – Mit mehr Informationen über Einsparmöglichkeiten bei Energiekosten und über Befreiungsmöglichkeiten von Ökostromgebühren will der Energieregulator E-Control gezielt jene Haushalte ansprechen, die von Energiearmut betroffen sind. Das betrifft Menschen, die nur ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle haben, aber überproportional viel für Energie zahlen – das betrifft in Österreich 117.000 Haushalte oder 3,1 Prozent.

Die Informationen, die die Regulierungsbehörde den Konsumenten verstärkt geben will, beziehen sich auf die Chancen auf Ersparnisse durch einen Wechsel des Strom- oder Gaslieferanten, die Energieeffizienz, aber auch die recht einfache Möglichkeit für einen Nachlass – oder eine komplette Befreiung – von den Ökostromkosten, nämlich zugleich mit dem Antragsformular für die GIS-Gebührenbefreiung. Im Vorjahr habe es 131.000 Kunden gegeben, die eine Ökostromkosten-Deckelung in Anspruch nehmen konnten, sagte E-Control-Vorstandsdirektor Wolfgang Urbantschitsch im Gespräch mit der APA.

Einkommensschwache Haushalte entlasten

Das theoretische Potenzial schätzt er auf bis fast das Doppelte. Die aktuelle Gesetzesinitiative, die sozial Schwache gänzlich von Ökostromkosten entlasten will – die oppositionelle SPÖ will dem Verfassungsgesetz zustimmen -, begrüßt Urbantschitsch. Zur Zeit bezahlt jeder Haushalt rund 70 bis 90 Euro Ökostrombeitrag im Jahr. Einkommensschwache Haushalte, die derzeit 20 Euro als ermäßigten Betrag zahlen müssen, sollen – wie von der GIS – zu 100 Prozent befreit werden. Damit, so die für Energie zuständige Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) vor kurzem, würden 300.000 Haushalte entlastet.

Armutsfalle Heizen

Für bessere Aufklärung will die E-Control mit den Schuldnerberatungsstellen und anderen Multiplikatoren kooperieren. Eine besondere "Energiearmutsfalle" sei das Heizen: "Energiearme Haushalte" würden 75 Prozent ihrer Wohn-Energie für die Heizung aufwenden, andere Haushalte 66 Prozent. Deshalb sollte Energie hier "bewusst und nicht verschwenderisch eingesetzt werden".

Schon vor zwei Jahren hat die E-Control bei der Statistik Austria die Energiearmut-Daten im Detail erheben lassen, jetzt erneut – Basis sind die Zahlen für das Jahr 2016. Und es zeigte sich: Der Anteil ist kaum gesunken, bezogen aufs Jahr 2014 galten 3,2 Prozent der heimischen Privathaushalte als "energiearm". Diese gaben zuletzt im Durchschnitt 20 Prozent ihres gesamten verfügbaren Einkommens für "Wohn-Energie" aus, im Schnitt wendet ein Haushalt dafür nur 4,2 Prozent des Einkommens auf.

Anteil der betroffenen Haushalte, Ausgaben für Energie im Verhältnis zum Einkomme
Foto: APA / Statistik Austria

"Energiearme Haushalte" verfügten zuletzt laut Definition über höchstens 14.217 Euro jährliches Einkommen, das war die für 2016 maßgebliche Armutsgefährdungsschwelle – und gaben davon mindestens 1509 Euro für Energie fürs Wohnen aus. Um in diese Gruppe zu fallen, ist es auch nötig, dass die Energiekosten um mindestens 40 Prozent über jenen eines durchschnittlichen Haushalts liegen. Darunter fallen Ausgaben für Strom für den Haushalt, Heizung und Warmwasser – Energie für Mobilität, also etwa Sprit, wird dabei nicht berücksichtigt. Der Regulator ist dabei für Strom und Gas zuständig, etwa die Netzgebühren.

Ältere besonders betroffen

Energiearme Haushalte zeichnen sich durch eine Reihe von Unterschieden zur Gesamtbevölkerung aus. So ist der Pflichtschulanteil (als höchste abgeschlossene Schulbildung) in diesen Haushalten mit 32 Prozent weit über der Allgemeinheit (14 Prozent). Zudem sind energiearme Haushalte im Schnitt kleiner und älter, erläutert Urbantschitsch die Ergebnisse der Studie. So lebt nur eine Person in 61 Prozent der energiearmen Haushalte, während Ein-Personen-Haushalte nur 35 Prozent aller nicht-energiearmen Haushalte ausmachen. 59 Prozent der energiearmen Haushalte gehören der Altersgruppe "mindestens 55 Jahre alt", nicht-energiearme Haushalte sind nur zu 49 Prozent in dieser Gruppe zu finden. Auch bei den GIS-Gebührenbefreiten sei der Pensionistenanteil besonders hoch, so Christina Veigl-Guthann, die Leiterin der Abteilung Endkunden in der E-Control.

Häufiger sind energiearme Haushalte in kleinen Wohnungen bis 80 Quadratmeter anzutreffen (50 Prozent) als nicht-energiearme Haushalte (42 Prozent) – und sie mieten auch etwas öfter (52 Prozent versus 49 Prozent). Größer und relevanter sind die Unterschiede beim Alter der bewohnten Gebäude: Rund 44 Prozent der energiearmen Haushalte leben in Gebäuden, die bis 1960 erbaut worden sind – unter nichtenergiearmen Haushalten sind es nur 29 Prozent.

Strom und Heizen belasten am meisten

Deshalb ist es für den E-Control-Vorstand unterm Strich nicht verwunderlich, dass der jährliche Energieverbrauch der von Energiearmut betroffenen Haushalte mit 23.170 Kilowattstunden (kWh) deutlich über dem Österreich-Schnitt von 17.440 kWh liegt. Allein für Strom verbrauchen energiearme Haushalte 5.660 kWh – zu jährlichen Kosten von circa 1.170 Euro. "Das heißt, dass neun Prozent des gesamt verfügbaren Haushaltseinkommens allein für Strom ausgegeben werden muss", so Urbantschitsch.

Der weitaus größte Teil der Energie in energiearmen Haushalten geht aber fürs Heizen auf – und zwar 17.340 kWh oder circa 75 Prozent des Gesamtverbrauchs. Bei nicht-energiearmen Haushalten sind es im Schnitt nur 66 Prozent (oder 11.400 kWh). Die Unterschiede bei den verwendeten Energieträgern sind jedoch geringer als vielleicht angenommen. So verfügten 2016 rund 18 Prozent der energiearmen Haushalte über eine Ölheizung, im Österreich-Schnitt immerhin auch 16 Prozent. Freilich sei ein Wechsel des Heizsystems mit hohen Investitionen verbunden, sagt Urbantschitsch. Eine Stromheizung wäre zwar auf den ersten Blick "das Einfachste", doch sei dies mit relativ hohen Kosten im Betrieb verbunden und eigentlich auch recht ineffizient.

EU nimmt sich Thema an

Auch auf EU-Ebene wird das Thema Energiearmut stärker angegangen. So sieht etwa die neue EU-Strombinnenmarktrichtlinie vor, dass Mitgliedsstaaten Unterstützungsleistungen zu notwendigen Energiebelieferung an schutzbedürftige Kunden oder Energieeffizienzmaßnahmen setzen sollen. Auch der neue europäische Rechtsrahmen "Clean Energy Package", der in diesen Tagen formell vollendet wird, enthält den Auftrag an die Mitglieder, Energiearmut einheitlich zu definieren und adäquate Maßnahmen zu ergreifen, damit auch jene Kunden Zugang zu Energie haben, die von Armut bedroht sind, so Urbantschitsch.

Deshalb sei auch im Sinne der "Grundversorgung" in Österreich ein Stromabschalten für Kunden mit Zahlungsrückstand nicht mehr wie früher endlos möglich, sondern nur nach strengen, eng gezogenen Spielregeln für die Energieversorger (etwa weiterer Energiezugang nach Zahlung eines Monatsbetrags im Voraus) – "damit niemand herausfällt", betont der E-Control-Vorstand.

Jedoch sehe man bei der "Grundversorgungsregelung" – Kunden, die sich darauf berufen, müssen weiterbeliefert werden – noch Punkte, bei denen es gelegentlich hakt, so Veigl-Guthann. Bei den Abläufen gebe es noch Verbesserungsmöglichkeiten, da sei die Branche gefordert. Hier sind auch die Bundesländer eingebunden, denn die Ausführungsgesetze sind Landessache. (APA, 26.3.2019)