Da hab ich sie schon gefressen, die lautlose Mobilität. Ich hab keine Ahnung, wie ich das jetzt eingeschaltet habe, aber die Vespa Elettrica gibt einen fürchterlichen Warnton von sich. So ein Piepton wie von einem Lastler beim Rückwärtsfahren. Nur ohne Unterbrechungen. Gach geht es weg, wenn ich losfahre, denke ich. Denkste. In einer Mischung aus Ratlosigkeit, Zorn und Ohnmacht drück ich fahrig auf jeden Knopf, den ich finde, schalte die Vespa aus, starte sie neu. Pfeif. Ich habe keine Ahnung, wie ich es durch weiteres hektisches Herumdrücken auf allen Knöpfen geschafft habe, den Nervton auszuschalten, aber irgendwann war die Vespa wieder leise. Und so muss die E-Mobilität auch sein. Kein Brapbrap. Ohne großen Lärm. Auch wenn das Gebrüll aus einem offener Endtopf für andere Musik in den Ohren ist.

Irgendwas hab ich herumgedrückt, und auf einmal fangt die Wespe zum Schreien an. Nicht laut. Aber sehr unangenehm.
Foto: Guido Gluschitsch

Es ist sicher eine sehr geheime Tastenkombination, die man drücken muss, um den Warnton auszulösen und abzudrehen. So wie es bei verschiedenen Konkurrenzprodukten auch Fingerübungen mit Startknopfdrücken, Bremshebelziehen, Gasgeben und Sekundenzählen gibt, um die Elektronik der Fuhre zu umgehen, die darauf schaut, dass das Moped ja nicht schneller als 45 km/h fährt. Ob es sowas auch bei der Vespa gibt? Keine Ahnung. Glauben Sie, dass das jemand einem auch noch so windigen Journalisten sagen würde? Das müssen wir also noch rauskriegen. Rausgefunden habe ich inzwischen aber etwas anderes, was vielleicht ziemlich genau mit dieser Elektronik zu tun hat.

Das ist die schnellere der beiden Vespas. Für sie braucht man zumindest den Code 111.
Foto: Guido Gluschitsch

Es gibt nämlich zwei verschiedene Modelle der Vespa Elettrica. Die L1E kostet jetzt zum Marktstart 6.890 Euro, geht Strich 45 km/h, und man darf sie mit einem normalen B-Schein lenken. Für die L3E braucht man zumindest den Code 111, also den kleinen A-Schein, den man ohne Prüfung bekommt und mit dem man landläufig 125er mit B-Schein fahren darf. Sie ist also quasi die freigeschaltete Version, kostet 7.590 Euro, und sie geht – jetzt halten Sie sich bitte fest – vorn, nicht hinten, Sie wollen ja nicht runterfallen: 53 km/h.

Am großen Blech erkennt man die 53-km/h-Version.
Foto: Guido Gluschitsch

So oder so ist das ganz schön viel Geld für einen Mopedroller. Selbst in der Vespa-Welt ist das noch viel Heu. Eine Primavera 50 4T bekommt man ab 3.199 Euro. Die hat dann aber lediglich eine maximale Leistung von 3,3 PS – umgerechnet für Vegetarier: 2,4 kW – und ein Drehmoment von 3 Nm. Die Elettrica leistet maximal 4 kW, das sind 5,4 PS und drückt laut Datenblatt auf der Homepage nominell 6 Newtonmeter ab, laut Presseunterlagen sind es bis zu 200 Newtonmeter. So stark kann das System im Bedarfsfall kurzzeitig überlastet werden. Fernost-Scooter nutzen den gleichen Schmäh, allerdings mit meist gegen die 100 Nm.

Optisch macht die Elettrica schon was her, mit den gelben Akzenten.
Foto: Guido Gluschitsch

Die Scooter aus China kosten übrigens nicht einmal die Hälfte der Vespa. Sogar wenn man die 700 beziehungsweise 1.000 Euro Förderung abzieht, die man für die eine und andere Vespa bekommt. Ehrlich gestanden sind die Mitbewerber aber auch wirklich keine Konkurrenz für die Vespa, denn Letztere kauft man sich, eben weil sie eine Vespa ist. Design, Kult und Historie spielen da natürlich eine große Rolle. Und es sind auch nur die Besitzer einer alten, blau rauchenden Zweitakt-Vespa, die vielleicht einen scheelen Blick auf die Elettrica werfen. Die Partie schaut aber auch schon die Viertakter komisch an. Umweltbewusstsein und historische Fahrzeuge sind halt ein anderes Thema, das eigens diskutiert gehört. Es ist schon gut, dass Vespa immer neue Wege zu gehen versucht. Erinnern wir uns nur an die Hybrid-Dreiradler von Piaggio, den MP3. Möge der Erfolg diesmal größer sein.

Das war er, der MP3 Hybrid von Piaggio.
Foto: Piaggio

Piaggio denkt übrigens auch eine Vespa Elettrica als X-Modell an, mit kleineren Akkus dafür einem Verbrennungsmotor als Range Extender. Dabei darf man sich fragen, ob überhaupt zu wenig Reichweite in der Elettrica steckt. Im Powermodus schafft sie realistische 70 Kilometer, im auf rund 30 km/h abgeregelten Eco-Modus gehen sich auch 100 Kilometer aus. Da braucht man dann halt medizinische Hilfe, was die eigene Zügelung angeht. Aufputschen könnte man sich danach mit Hazerln im Retourgang. Denn ja, auch das kann die E-Vespa. Zum leichteren Rangieren hat man das angeblich verbaut. Dabei wiegt die E-Vespa eh nur 130 Kilogramm – das sind gerade einmal neun Kilogramm mehr als die fahrfertige 50er-Primavera auf die Waage drückt. Da ging es dann wohl eher darum, dass die Funktion einfach zu programmieren ist. Auch wenn die meisten Fernost-Hersteller darauf verzichten – wie auch auf ein paar andere sehr wertvolle Details, die wir bei der Vespa Elettrica finden.

Unter der Sitzbank passt noch ein schnittiger Helm rein. Weiter hinten befindet sich die Abdeckung für das Stromkabel und den Stecker.
Foto: Guido Gluschitsch

Die wird etwa nicht durch einen vergleichsweise günstigen Radnabenmotor angetrieben, sondern von einem bürstenfreien Motor, der auch Rekuperationsenergie an die Akkus zurückspeist. Angetrieben wird das Hinterrad nicht aber wie bei Vespa üblich über einen Riemenantrieb, sondern über ein Zwischengetriebe. Das bietet den Vorteil, dass der Scooter beim Losfahren nicht mit einem großen Rucker loslegt, sondern gleichmäßig beschleunigt. Und dass die Italiener schon ein paar Jahre Erfahrung bei den Themen Fahrdynamik, Lenkpräzision und Fahrkomfort haben, merkt man auch auf den ersten Metern.

Viel Kabel ist nicht in der Vespa, sollte es aber auch nicht sein, damit keiner drüberfliegt.
Foto: Guido Gluschitsch

Und noch was hebt die Vespa von der Konkurrenz ab: Das 4,3 Zoll große Farbdisplay, das mehr Konnektivitätsstückerln spielt, als es einem erwachsenen Mann notwendig erscheint und andernfalls der Verkehrssicherheit zuträglich ist. Mit dem Kastl kann man SMS lesen und das Telefon sprachsteuern, wenn man einen passenden Bluetooth-Helm hat. Das muss man nicht wollen. Was anderes aber vielleicht schon – was die Konkurrenz kann, worauf Vespa aber verzichtet.

Sogar arschlings kann die Elettrica fahren, und zeigt das auch am TFT-Multi-Wasweißich-Display an.
Foto: Guido Gluschitsch

Um das Herausnehmen der Akkus geht es. Zum Laden nutzt man das fixverbaute Schukokabel unter der Sitzbank. Dafür darf die Steckdose natürlich nicht allzu weit weg sein, sonst hat man auch gleich eine Straßensperre. Wer nach dem Laden – in vier Stunden sollten die Li-Ionen-Akkus mit 4,2 kWh wieder voll sein – den Stecker nicht richtig verstaut und die Abdeckung dafür nicht passend arretiert, fährt sowieso keinen Meter mit der Elettrica. Wer das nicht weiß, sucht fast so lange nach der Fehlerquelle wie ein Kasperl, der beim Knopferldrucken den Warnton aktiviert. (Guido Gluschitsch, 27.3.2019)

Nachtrag (27.3.2019, 12:00): Vespa war so freundlich und hat mich nun kontaktiert und bezüglich des Signaltons aufgeklärt. Es gibt einen Warnton, den man frei auf eine bestimmte Geschwindigkeit programmieren kann. Überschreitet man diese Tempo, beginnt die Elettrica zu pfeifen. Diese Funktion ist tief im System versteckt, und es sei schon ein arger Zufall, dass ich sie auf Anhieb gefunden habe. Als Glanzleistung darf angesehen werden, dass ich die Geschwindigkeit, ab der gewarnt wurde, auch noch auf 0 setzte. Damit pfiff der Scooter immer.

Mit einem Augenzwinkern verwies man mich auch an die Betriebsanleitung, die man mir für den Test mitgeben hat. (glu)