Auch mit 82 Jahren noch ein Schwerenöter und Überzeugungstäter durch und durch: Robert Redford als Passionsverbrecher Forrest Tucker in "The Old Man & The Gun".

Foto: Thimfilm

Im blitzblauen Anzug mit elegantem Hut spaziert er in die Banken und bittet um eine Privataudienz. Dann macht er mit einem Lächeln auf dem Gesicht sein Anliegen deutlich: Es lautet Überfall. Wenn eine Frau am Schalter deshalb einmal in Tränen ausbricht, hat er schnell ein paar tröstende Worte parat: "Sie machen Ihren Job ganz hervorragend." Bei so viel Eleganz und Einfühlungsvermögen verwundert es nicht, dass der Räuber gegenüber der Polizei wiederholt als glücklicher Mensch beschrieben wird.

Gentlemen-Gauner lautet der Begriff für diese Spezies des Kriminellen, die niemand mit so viel Sonnyboy-haftem Charme verkörpert hat wie Robert Redford. Man denke nur an Der Clou, in dem er bereits 1973 mit Paul Newman nostalgisch das Paradoxon anständigen Verbrechertums hochhielt. Wenn sich der 82-Jährige nun für The Old Man & The Gun (Ein Gauner & Gentleman) nochmals einer solchen Rolle stellt, schwebt sofort dieser Geist einer vergangenen Ära durch den Film.

Ein Leben für die Kriminalität

Zugleich ist er jedoch schon doppelt weit entrückt, das Pastiche vom Pastiche einer Welt mit Edelmut, die vielleicht nur im Kino so existierte – selbst wenn das reale Vorbild für die Rolle erst 2004 gestorben ist. Forrest Tucker widmete sein ganzes Leben der Kriminalität, er brach imponierende 18 Mal aus dem Gefängnis aus. Man hätte ihn als Sicherheitsexperten gewinnen sollen. Noch als Senior versiegte sein Elan nicht, erst mit 79 wurde er endgültig dingfest gemacht.

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Dieser notorische Wiederholungszwang ist das, was den Texaner David Lowery am meisten an der Geschichte interessiert. Lowery ist ein Regisseur, der aus dem Independent-Bereich stammt, mit A Ghost Story hat er vor zwei Jahren einen schwermütigen Gespensterfilm vorgelegt, der eigentlich eine Reflexion über die Vergänglichkeit war. The Old Man & The Gun scheint auf den ersten Blick wie ein Schritt in konventionelleres Terrain; auf den zweiten ist der Film aber auch eine Auseinandersetzung mit einer Ästhetik des Rebellentums. Redford ist eine Ikone mit Hörgerät, die den Genuss an einem gefährlichen Leben verkörpert. Er kann’s und will’s einfach nicht lassen.

"Badlands" als Referenz

So jemand braucht auch ein Gegenüber, damit er richtig zur Geltung kommt. Lowery, der den Film mit David Grann geschrieben hat, stellt ihm einerseits Sissy Spacek als verwitwete Rancherin zur Seite. Sie könnte die ältere Ausgabe von Holly sein, die sie in Terrence Malicks Badlands von 1973 spielte, einer anderen filmischen Ode an Außenseiter. Auch hier lässt sie sich von einem verwegenen Wesen betören, bleibt aber skeptisch.

Der ganze Film ist großartig besetzt, Danny Glover, Tom Waits und Elizabeth Moss sind in kleinen Rollen zu sehen. Tuckers hartnäckigsten Verfolger spielt Casey Affleck als einen Cop, der die Puzzlesteine zusammensetzt und entdeckt, dass er es mit einer Legende zu Lebzeiten zu tun hat. So jemanden will man gar nicht festnehmen. So jemandem zollt man Respekt. (Dominik Kamalzadeh, 27.3.2019)