Die ehemalige Sargfabrik in Atzgersdorf firmiert heute als Kulturzentrum F23. Es ist jetzt auch ein "Stadtlabor".

Foto: Markus Steinbichler

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat bei seinem Antritt versprochen, "Akzente" in den Wiener Außenbezirken zu setzen. Gestern präsentierte er zusammen mit Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) eine Initiative der Stadt für die Bezirke: die Stadtlabore. Diese Labore sollen "Vorkehrungen" sein um "in urbane Infrastruktur zu investieren", so Ludwig.

Die Infrastruktur, von der Ludwig spricht, betrifft nicht Wohnungen oder Krankenhäuser, sondern das kulturelle Angebot. Vor allem die neuen Stadtentwicklungsgebiete jenseits des Wiener Gürtels, die einen großen Teil der wachsenden Bevölkerung Wiens aufnehmen, sollen mit diesem Projekt kulturell belebt werden. Für insgesamt 12 Initiativen in den Wiener Außenbezirken stellt Kaup-Hasler 700.000 Euro an zusätzlichen Mitteln für das Jahr 2019 zur Verfügung.

Wohnungstausch und Konzerte

Die Stadtregierung fasst den Begriff des "Labors" bewusst weit. Kaup-Hasler sieht in der Kunst die Möglichkeit, "soziale Räume" zu schaffen. Die geförderten Projekte sollen sich mit den Stadtteilen und deren Bevölkerung auseinandersetzen.

So wird beispielsweise das Stadtlabor "Willst du hier wohnen?", welches das Architekturzentrum Wien und das Mies Magazin umsetzt, einen Wohnungstausch organisieren: Für eine begrenzte Zeit kann in den vier Wänden eines unbekannten Wieners gewohnt werden, während die andere Person sich in die eigene Wohnung einmietet.

Temporäre "Marktkonzerte" des Perkussionisten Martin Grubinger, Installationen im öffentlichen Raum, ein Geschichtenteppich für Kinder und Jugendliche und die Förderung des Urbanize-Festivals gehören auch zu den Laboren.

Kritik an Fördervergabe

Mit den "Stadtlaboren" erhält Wien einen zweiten Fördertopf für niederschwellige und dezentrale Kulturarbeit mit Fokus auf Kulturvermittlung. Seit 2014 gibt es die Shift-Förderung, die sich auf Einzelprojekte konzentriert. Sie ist mit 1,5 Millionen Euro für jeweils 18 Monate dotiert. Die Überschneidungen der zwei Töpfe werden am Beispiel des Kulturzentrums F23 in Liesing deutlich: 2017 erhielt das F23 eine Förderung aus dem Shift-Topf. Jetzt gehört die Einrichtung auch zu den Stadtlaboren. Der Unterschied: Shift-Projekte müssen sich bewerben und eine fünfköpfige Jury entscheidet über deren Förderwürdigkeit.

Die Stadtlabore wurden nicht ausgeschrieben, sondern direkt mit den Projekten und den Bezirksvertretungen konzipiert, so Kaup-Hasler. Ob sich die Projekte auf eine längerfristige Förderung einstellen könnten, wurde aus dem Büro der Stadträtin zurückhaltend beantwortet: Es handle sich um eine "Prozessförderung".

Tamara Schwarzmayr, Vorstandsmitglied der IG Kultur Wien sagt zum "Standard", dass sie den Vorstoß der Stadträtin grundsätzlich begrüße, aber "Kriterien der Vergabe, klare Strategien und nachhaltige Visionen für die Folgejahre" vermisse. Sie fragt sich, "wer zur Mitgestaltung an diesem Prozess (nicht) eingeladen wurde". Die IG Kultur Wien wünscht sich eine offene Arbeitsgruppe.

Wie das "Pilotprojekt" in den Bezirken ankommt, wird sich ab Mai in der Praxis zeigen. Da soll es in den ersten Laboren zischen und brodeln: Ein Experiment. (Laurin Lorenz, 26.3.2019)