Mag Großbritanniens EU-Austritt auch wenig Erfreuliches bringen – die heißumkämpfte Abstimmung über "nichtbindende" Voten, die Auswege aus der Brexit-Blockade bringen sollen, bietet immerhin einen faszinierenden Einblick in die ungeschriebene britische Verfassung. Als deren Vorteil führen Verteidiger gern ins Feld, sie gebe dem Land und seinen politischen Institutionen größere Flexibilität, als es in anderen liberalen Demokratien der Fall ist.

Davon konnte in den vergangenen Monaten freilich nicht die Rede zu sein. Zu besichtigen war stattdessen eine Regierung unter Premierministerin Theresa May, die selbst nach dem Einbüßen ihrer knappen parlamentarischen Mehrheit stets darauf pochte, das Parlament von allen wichtigen Entscheidungen auszuschließen.

Erst der Supreme Court gab den Abgeordneten recht. Und in welchem anderen demokratischen Parlament wäre von einer "Revolution" die Rede, wenn seine Mitglieder über die Tagesordnung selbst bestimmen wollen, anstatt dies der Exekutive zu überlassen? Am Mittwoch genießen die Volksvertreter jene Souveränität, die jedes selbstbewusste Parlament gegenüber der Regierung an den Tag legen sollte. Freilich müssen sie sich der neuen Verantwortung auch würdig zeigen. Es geht um Kompromissbereitschaft im Interesse des ganzen Landes – nicht um innerparteiliche Intrigen oder verfahrensrechtliche Spielchen. (Sebastian Borger, 26.3.2019)