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Holzschnitzel wie diese wurden zum Politikum: Regierung und Opposition streiten um die Förderverlängerung von Biomasseanlagen.

Foto: REUTERS/Kim Kyung-Hoon

Kaum ein Thema hat die zwei ehemaligen Koalitionspartner SPÖ und ÖVP in den vergangenen Wochen stärker gespalten als die Förderung von Biomasseanlagen. Am Dienstag endete die Begutachtungsfrist für das umstrittene Grundsatzgesetz; am Mittwoch passierte es den Ministerrat.

Was ist passiert? Ausgangspunkt des Rosenkrieges war kein anderer Tag als der 14. Februar, der Valentinstag. An jenem Donnerstag wurde im Bundesrat über das von den Türkisen geplante Ökostromgesetz abgestimmt, das die Förderverlängerung mehrerer Biomasseanlagen sicherstellen sollte. Die notwendige Zweidrittelmehrheit scheiterte an einem SPÖ-Veto, die Sozialdemokraten forderten ihrerseits mehr Transparenz. Die zuständige Ministerin, Elisabeth Köstinger (ÖVP), verkündete nur einen Tag später, die Förderung durch ein einfachgesetzliches Grundsatzgesetz durchzusetzen.

Neues Gesetz auch ohne SPÖ

Das neue Gesetz sowie neun Ausführungsgesetze der Bundesländer können nun ohne Zweidrittelmehrheit – und damit ohne die SPÖ – beschlossen werden.

Die Novelle soll eine Übergangslösung für Biomasseanlagen schaffen, deren Förderungen 2017 oder 2018 ausgelaufen sind oder 2019 auslaufen werden. Nach Angaben des Umweltministeriums sind insgesamt 47 Anlagen betroffen. Die jährlichen Kosten für die Förderverlängerung sollen "deutlich unter 50 Millionen Euro" liegen.

Wie viele Mitarbeiter konkret von der Schließung der Anlagen betroffen wären, ist nicht klar. Im Februar verkündete Köstinger auf der Ministeriumshomepage noch: "Das ist kein Spiel, da geht es um rund 6400 Arbeitsplätze und Existenzen, die dahinterstehen." Später war die Rede von 6400 Jobs entlang der gesamten Wertschöpfungskette aller 130 Biomasseanlagen. Die Arbeiterkammer Wien kritisierte die hohen Angaben am Dienstag in einem Blogbeitrag. Die Beschäftigung in Bereichen wie Forstwirtschaft oder Holztransport sei nicht ausschließlich von der Biomasse abhängig. In den 47 Anlagen sind laut AK weniger als 200 Vollzeitarbeitskräfte beschäftigt.

Geteilte Ansicht über Verfassungskonformität

Ein von der Arbeiterkammer in Auftrag gegebenes Gutachten stellt außerdem die Verfassungskonformität des Gesetzes infrage. Demgegenüber steht ein von dem Umweltministerium in Auftrag gegebenes Gutachten. Darin erklärte ein Verfassungsrechtler die Vorgehensweise für zulässig. "Der Lösungsweg wurde weiters vom Verfassungsdienst geprüft und bestätigt", teilte das Ministerium auf Anfrage mit.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass die Bundesländer Mittel für ihre Biomasseanlagen einheben und die Höhe der Einspeisetarife selbst regeln. Die von den Ländern definierten Förderregeln müssen jedoch erst von der EU-Kommission genehmigt werden, sagt die Arbeiterkammer: "Ansonsten droht den Biomasseanlagenbetreibern die Rückzahlung der erhaltenen Förderungen." Auch die IG Holzkraft, die Interessenvertretung der Betreiber von Ökostromanlagen, teilt diese Befürchtung.

Neun verschiedene Lösungen

Die Wiener Umweltstadträtin Ulrike Sima (SPÖ) kritisierte am Dienstag die Länder-Lösung: "Neun verschiedene Tarife sind ein Wahnsinn." Das Vorgehen der Regierung würde für Chaos und Rechtsunsicherheit sorgen, sagte Sima am Dienstag. Das Grundsatzgesetz und die Ausführungsgesetze müssten von der EU-Kommission genehmigt werden, weil es sich um neue Förderungsgesetze handle. Dieser Prozess würde nach Angaben der Stadträtin zwischen drei Monaten und eineinhalb Jahren dauern. Das Umweltministerium sieht hingegen keine Notwendigkeit einer beihilferechtlichen Notifikation bei der EU-Kommission. Laut EU-Recht seien Änderungen "rein formaler oder verwaltungstechnischer Art nicht notifizierungspflichtig".

Am Dienstag wurden insgesamt 21 Stellungnahmen zu dem Gesetz eingebracht. Nach Angaben des Ministeriums wurden bereits einige Änderungsvorschläge der Begutachtung übernommen. Aufgrund der Festlegung der Tarifhöhe mittels Verordnung der Landesregierung würden bundesländerweit unterschiedliche Preise für die von Biomasseanlagen erzeugte Energie entstehen, kritisierte etwa Österreichs Energie. Die Interessenvertretung der heimischen E-Wirtschaft warnte vor einer "sachlich nicht begründbaren Ungleichbehandlung" einzelner Biomasseanlagen und deren Betreiber.

Kritik der Interessenvertretung

Die Interessenvertretung der Betreiber von Ökostromanlagen meldete sich ebenfalls kritisch zu Wort. Das neue Gesetz sieht vor, dass die Förderung auf Anlagen beschränkt werden soll, die einen Brennstoffnutzungsgrad von mindestens 60 Prozent aufweisen. Zumindest elf Anlagen würden diese Anforderung nicht erfüllen.

Die Vereinigung der Papierindustrie, Austropapier, lehnt den vorliegenden Entwurf "entschieden ab". Die Vereinigung bezweifelt, dass eine Anlage, die nach 13 bis 15 Jahren nicht wirtschaftlich ist, innerhalb von drei weiteren Förderjahren Selbständigkeit erreichen kann: "Es ist daher eine ineffektive, teure Verschwendung von Fördergeldern", heißt es in der Stellungnahme.

Fehler in der formalen Gestaltung

Ähnlich scharfe Worte kamen von der Industriellenvereinigung (IV): Diese könne den Entwurf "aus grundsätzlichen Überlegungen nicht unterstützen". Eine Separatlösung für Biomasseanlagen würde nach Angaben der IV "ein umfassendes Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz konterkarieren".

Auch das Finanzministerium machte – wenn auch nicht inhaltlich, sondern in der formalen Gestaltung – Anmerkungen zum Gesetzestext. Darin wurden die jährlichen Belastungen in der Höhe von rund 60 Millionen Euro "dem Bundeshaushalt und anderen öffentlichen Haushalten" zugeordnet. Tatsächlich betreffe die Belastung jedoch Endverbraucher und nicht öffentlichen Haushalte, heißt es in er Stellungnahme.

"Verfassungsrechtlich bedenklich"

Zudem übten mehrere Bundesländer Kritik. Die steirische Landesregierung sprach von einem "Systembruch" der bundeseinheitlichen Ökostromförderung: "Länder zu verpflichten, jeweils Ausführungsgesetze samt Verordnungen zu schaffen, darf an dieser Stelle als verfassungsrechtlich problematisch betrachtet werden." Die geplante Novelle werde zu einer Abkehr von der bundesweit einheitlichen Ökostromförderung führen, merkte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker an.

Das Land Kärnten kritisierte die Detailliertheit des Gesetzes. Dieses würde "nahezu keinen Regelungsspielraum im Rahmen der Landesgesetzgebungskompetenz" ermöglichen. Eine dermaßen detaillierte Regelung in einem Grundsatzgesetz sei "verfassungsrechtlich bedenklich". Außerdem würde die Novelle zu einer Ungleichbehandlung zwischen den einzelnen Endverbrauchern in Österreich führen.

Unterschiedlich hohe Beiträge in den Ländern

Konsumenten in den Bundesländern müssten – je nach Anzahl der zu fördernden Anlagen – einen unterschiedlich hohen Ökostrombeitrag zahlen. Das könnte beispielsweise dazu führen, dass ein Kärntner – da es im südlichen Bundesland besonders viele Anlagen gibt – einen höheren Betrag auf seiner Jahresabrechnung findet als Bewohner anderer Bundesländer. Einkommensschwache Haushalte sollen durch die Novelle von dem Pflichtbeitrag jedoch ausgenommen werden.

Laut Köstinger sollen die Bundesländer ein "Musterausführungsgesetz" erhalten, um bundesweit ein gleiches Schema zu gewährleisten. Für Österreichs Haushalte fallen demnach Mehrkosten in der Höhe von fünf Euro pro Jahr an, sagte die Ministerin auf STANDARD-Anfrage: "Diese Mehrkosten wären auch bei der ursprünglichen Variante im Bundesrat gleich niedrig gewesen." Das Ministerium rechnet bei einer regionalen Verteilung jedenfalls nur mit geringfügigen Unterschieden. (Nora Laufer, 27.3.2019)