Robert Tibbo bei seinem Besuch im STANDARD-Newsroom im Sommer 2018.

Foto: Christian Fischer

Robert Tibbo steht ständig unter Strom. Er ist rund um die Uhr im Einsatz für seine Klienten. Der berühmteste von ihnen ist NSA-Whistleblower Edward Snowden, dessen spektakuläre Flucht in Hongkong Tibbo 2013 organisiert hat. Seitdem wird der Kanadier permanent überwacht. Er hat gelernt, damit umzugehen. Interviews über sensible Themen gibt er bei Waldspaziergängen, die Handys wandern derweil ins Gefrierfach. Big Brother ist überall.

Tibbos andere Mandanten kennt kaum jemand. Es sind mittellose Asylwerber, für die sich der Menschenrechtsanwalt seit 2012 in Hongkong einsetzt. Er tut das mit derselben Energie, mit der er für Snowden kämpft. Denn Tibbos Antrieb ist die Überzeugung, das Richtige zu tun.

Die Chemie in Asien hat gestimmt

Dabei hatte der 1964 in Montreal geborene Tibbo ganz andere Pläne. Nach dem Chemiestudium mit Abschluss als Ingenieur heuerte er beim Konzern Monsanto an. Er wollte die Welt bereisen und ließ sich erst nach Australien, und Anfang der 1990er-Jahre nach China versetzen. Dort lernte er Mandarin und entdeckte sein Faible für Asien.

Ein Jahrzehnt später wurde er der Chemiebranche überdrüssig und sattelte auf die Juristerei um. Nach dem Studium in Neuseeland ging er 2001 zurück nach Hongkong. Hier lernte er seine aus Thailand stammende Ehefrau Jennifer kennen und machte sich schnell als Wirtschaftsanwalt einen Namen.

Tibbo vertrat Mandanten, die sich mit den ganz großen Playern des Big Business anlegten. "Es gefiel mir, gegen Banken und Versicherungen vor Gericht zu ziehen", sagt er rückblickend. Diese Don-Quichotte-Attitüde bewog ihn später, sich juristisch für Flüchtlinge zu engagieren.

"Kämpfe wie ein Löwe"

Seine Klienten vertrauen ihm blind, weil er sich bedingungslos für sie einsetzt. "Als Anwalt kämpfe ich wie ein Löwe für meine Mandanten", sagt er. Dass Tibbo dabei bisweilen übers Ziel hinausschießt, ist ihm bewusst. Weggefährten, die sich von ihm abgewandt haben, erzählen von seiner manchmal unwirschen Art.

Die Ausdauer und Zielstrebigkeit, die er als Anwalt an den Tag legt, hat er sich als Amateurradrennfahrer in den 1980er-Jahren angeeignet. Bis heute liebt er den Rennradsport innig. Irgendwann will er selber wieder die Zeit finden, im Sattel zu sitzen: dann, wenn er sich auf seine Farm in Nova Scotia zurückzieht, wo sein geliebter Husky namens Big Boy auf ihn wartet und er seinem anderen Hobby, der Anglerei, frönen kann. Nur unter Strom will er dann nicht mehr stehen. Denn E-Bikes verachtet er. (Steffen Arora, 26.3.2019)