Wien – Das "Charlie P's" ist eines der bekanntesten Irish Pubs in der Bundeshauptstadt, Richterin Daniela Zwangsleitner muss sich allerdings nicht mit den über 45 dort angebotenen Biersorten befassen, sondern mit Diebstählen, die sich am 18. Dezember bei einem Fest für Medizinstudenten dort ereigneten.

Drei Angeklagte sitzen vor Zwangsleitner: Ali W., 34 Jahre alt, Chadi S., 21 und Lotfi A., 33. Geständig ist niemand von ihnen, sie wollen am fraglichen Abend nur zufällig in dem Lokal gewesen sein, um zu trinken und zu tanzen. W. und A. beteuern, sich gar nicht zu kennen, was insofern bemerkenswert ist, da sie von einer Kellnerin nach der Sperrstunde gemeinsam in einer WC-Kabine entdeckt wurden. Für die Richterin liegt die Vermutung nahe, dass sich die beiden dort vor der alarmierten Polizei versteckt hielten.

Überhaupt spielt die Toilette eine wesentliche Rolle in der Geschichte. Belastungszeugen sahen die Angeklagten immer wieder dort verschwinden, in einem Deckenloch fand die Polizei dann die Diebesbeute.

Fremder Führerschein und Kreditkarte gefunden

Am zweiten Verhandlungstag will die Richterin vom Drittangeklagten wissen, warum nach seiner Festnahme eigentlich die Kreditkarte und der Führerschein eines Opfers in seiner Zelle gefunden wurde.

"Das war nicht die Zelle. Die Polizei hat sie fünf Stunden später gefunden in dem Zimmer, in dem wir nach der Festnahme kontrolliert worden sind", hört sie als Antwort. "Und wie kommen die Sachen dorthin, wenn Sie alle unschuldig sind?", interessiert Zwangsleitner. "Ich weiß es nicht, nicht von mir", kommt als bestimmte Reaktion.

Der Chefbarkeeper sagt als Zeuge aus, dass ihm an diesem Abend zunächst nur der größte der Angeklagten aufgefallen sei, es habe aber nichts Ungewöhnliches gegeben. Im Laufe der Feier nahm die Belegschaft wie üblich Verlustmeldungen entgegen. "Nach der dritten oder vierten haben wir gemerkt, dass etwas vor sich geht und haben herumgefragt", erinnert sich der Zeuge.

Arbeitsteiliges Vorgehen

Andere Gäste meldeten die drei als Verdächtige – der Zweitangeklagte soll die Taschendiebstähle des Erstangeklagten mit seinem Körper verdeckt haben. Eine Partyteilnehmerin bemerkte das Fehlen ihres Handys. Als sie sich umdrehte, standen Erst- und Drittangeklagter unmittelbar hinter ihr. Letzterer reagierte auf ihren Vermutung, ihr Mobiltelefon sei ihr aus der Tasche auf den Boden gefallen nicht etwa mit einem Hilfsangebot für die Suche, sondern dem Satz: "Sie können gerne die Polizei rufen!"

Erfahrung mit dieser haben alle drei Angeklagten, die aus Palästina, Tunesien und Algerien stammen, schon gemacht, ebenso mit der Justiz. Die ersten beiden haben je zwei Vorstrafen, der dritte deren drei – das Spektrum reicht vom auch nun angeklagten gewerbsmäßigen Diebstahl über Einbrüche und Suchtmitteldelikte bis hin zur Körperverletzung.

Appell an die Richterin

Nachdem die Verteidiger Freisprüche gefordert haben, nutzt das Trio die Chance auf das letzte Wort ausführlich. "Ich war schon einmal im Gefängnis und habe erlebt, wie das ist. Ich habe mein Leben erfolgreich umgestellt und will jetzt eine Drogenentzugstherapie machen", erläutert der Erstangeklagte. "Es tut mir leid, ich habe nichts gemacht. Es gibt auch keinen einzigen Beweis gegen mich", meint Angeklagter Nummer 2. Drittangeklagter A. setzt sein Vertrauen in die Richterin: "Ich habe nichts Illegales gemacht und Sie wissen das am besten!", appelliert er an Zwangsleitner.

Die das zum Ärger von Zweit- und Drittangeklagten anders sieht. Die beiden Älteren werden je zu 18 Monaten unbedingt verurteilt, der zum Tatzeitpunkt unter 21 alte S. zu 16 Monaten. "Es gibt durchaus viel Belastendes", begründet die Richterin. Nicht nur die Zeugenaussagen des ersten Verhandlungstages, als Partygäste den Modus Operandi des Trios beschrieben. Neben der fremden Kreditkarte, die Drittangeklagtem A. zugeordnet wird, fand die Polizei beim Zweitangeklagten auch ein paar gestohlene Lederhandschuhe und eine Bronzemedaille der Kammer der gewerblichen Wirtschaft. "Ich gehe davon aus, dass die nicht Ihnen verliehen worden ist", merkt die Richterin an.

Der Erstangeklagte erbittet sich drei Tage Bedenkzeit, S. und A. melden Nichtigkeit und Berufung an, der Staatsanwalt gibt keine Erklärung ab – die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 14.4.2019)