Produzent Brian_Burton alias Danger Mouse und Sängerin Karen O haben ein Album veröffentlicht. Lux Prima ist aber nicht das Gipfeltreffen geworden, das erwarten worden war.

Eliot Lee Hazel

Popkultur galt lange als gefährlich. Elvis‘ Hüftschwung – wo ist das Weihwasser? Viele sahen damit den Teufel ums Eck kommen, die Schlange züngelte vom Baum, und während Adam noch in der Nase bohrte, gab Eva der Versuchung schon nach. Oder so ähnlich.

Populärkultur propagierte Aufbegehren gegen überkommene Moralvorstellungen. Sie stellte Unabhängigkeit und Selbstbestimmung in Aussicht, forderte sexuelle Freiheit und obwohl Pop immer noch eine Männerdomäne ist, gibt es heute so viele Frauen im Geschäft wie nie zu vor. Vor allem im Hip-Hop tauchen ständig neue Namen auf. Die Möglichkeit via Heimstudio und Youtube und ohne männliche Schirmherrschaft Aufmerksamkeit zu erregen nutzen viele ambitionierte Nachwuchskünstlerinnen. Und dennoch gibt es eine Bastion der Popmusik, die bis heute eine zutiefst traditionelle Arbeitsteilung aufweist. Das Mann-Frau-Duo.

Black + White = Grey

Da ist es immer noch so, dass der Mann als Mastermind agiert, während die Frau vorne am Mikro das hübsche Gesicht zur Marke abgibt. Jüngster Beleg ist die Kollaboration von Karen O mit dem Produzenten Brian Burton alias Danger Mouse.

Karen O heißt eigentlich Karen Lee Orzolek, ist 40 und die Sängerin der New Yorker Band Yeah Yeah Yeahs. Danger Mouse ist ein Jahr älter und einer der erfolgreichsten zeitgenössischen Produzenten. Auf sein Konto geht der Welterfolg von Gnarls Barkley (Crazy!), er hat Top-Ten-Alben für die Black Keys, Red Hot Chili Peppers oder Beck produziert, nahm mit James Mercer von den Shins ein Album als Broken Bells auf oder hob das Album Demon Days von den Gorillaz aus der Taufe.

Das sind jetzt nur die Sahnehäubchen seines Schaffens, man könnte noch das Grey Album erwähnen, auf dem er fast legal das Black Album von Jay-Z mit dem White Album der Beatles mixte. Vor 15 Jahren war das.

Berühmte Paarungen

Jetzt hat er also ein Album mit Karen O veröffentlicht. Es heißt Lux Prima und ist – na ja – ein wenig durchwachsen. Zwar bietet es einige hübsche Songs wie Woman, schließlich besitzt Danger Mouse ein Gespür für lässige Rhythmen. Das Gipfeltreffen, das erwartet und angekündigt worden war, erscheint aber doch eher als ein höherer Kaffeetermin.

Karen O und Danger Mouse mit ihrem Song Woman bei Stephen Colbert.
The Late Show with Stephen Colbert

Gleichzeitig setzt es eine Rollenverteilung fort, die seit Anbeginn der Popmusik besteht und der offenbar sämtliche Emanzipationsversuche nichts anhaben können: der Mann als eigentliches Genie im Hintergrund, die Frau als kosmetischer Aufputz am Mikro.

Diese Formel hat in diversen Abstufungen berühmte Paarungen hervorgebracht: Ike and Tina Turner, Nancy & Lee, The Kills, Sonny & Cher, Yazoo, Royal Trux, Everything But The Girl, Modern Talking (Ups, die nicht!), die Eurythmics, … – eine vollständige Liste wäre wohl sehr lang und ginge quer durch alle Musikstile. Natürlich gibt es etliche Frauenbands und weibliche Acts, bei denen die Kontrolle über Musik und Produktion in ihrer Hand liegen.

Frauen und Technik, Männer und Singen?

Aber es gibt so gut wie keine Paarung, bei der eine Frau die Produktion übersieht und sich einen ansehnlichen Buben als Gesicht und Stimme holt. Warum ist das so? Weil Männer hässlicher sind und nicht singen können? Weil Frauen nicht gut mit Technik können? Das wären altbackene Klischees, die die Wirklichkeit längst überwunden hat – dennoch schlägt sich das in keinen Paarungen mit umgekehrten Vorzeichen nieder.

Klar war Nancy Sinatra als Blickfang in den 1960ern verkaufsfördernder und schöner anzusehen als der kleinwüchsige Lee Hazlewood mit seinem Schnauzbart in der Rolle des abgebrühten Saubartls. Doch genau diese Aufteilung schreibt Rollen fest, aus denen Frauen schwer wieder herauskommen. Vielleicht, weil sie gar so gut funktioniert hat?

Ein anderer Grund hat historische Wurzeln. Das Musikgeschäft war von Anfang an männlich dominiert und korrupt. Es gibt hunderte Geschichten, in denen Künstler von ihren Labels übervorteilt wurden – Männer wie Frauen. Doch Frauen traf es noch härter, weil sie sich oft noch zusätzlich in den Fängen eines nicht immer uneigennützigen Managers befanden.

Putzfrau Tina Turner

Denn "natürlich" hat der männliche Part das Geschäftliche abgewickelt. Nach dem Motto: "Don‘t talk, just be beautiful." Eine Erfahrung, die Nina Simone in ihrer späteren Karriere dazu veranlasst hatte, sich immer vorab und in bar bezahlen zu lassen.

Dramatisch ging das bei Tina Turner aus. Ihr Ehemann war ein Schläger und Kontrollfreak. Als Tina sich 1978 scheiden ließ, blieben ihr bloß zwei Autos und ihr Bühnenname. Und selbst den musste sie sich erstreiten, denn Ike hatte sich "Ike & Tina Turner" rechtlich gesichert, um Tina jederzeit gegen eine andere Sängerin austauschen zu können, ohne die Marke zu gefährden.

Rollentausch?

Nach zwei Jahrzehnten als einer der heißesten R-‘n’-B-Acts stand Turner mit fast 40 Jahren vor dem Nichts. Sie lebte mit ihren Kindern von Essensmarken und verdingte sich als Putzfrau bei Freunden. Zwei Jahre lang ging das so, bis ihre Solokarriere in die Gänge kam.

Diese Gefahr herrscht bei Danger Mouse und Karen O nicht. Sie beleben mit Lux Prima bloß eine alte Formel, ohne ihr ein neues Highlight hinzuzufügen; solche hat diese typische Paarung ja einige hervorgebracht. Vielleicht wäre Lux Prima ein spannenderes Popalbum geworden, wenn die beiden Rollen getauscht hätten – vielleicht aber auch nicht. (Karl Fluch, 28.3.2019)