Fußball-Spielbericht und Chart von Egon, dem APA-Roboter. Nächstes Einsatzgebiet: die EU-Wahl.

Foto: Screenshot APA Medialab

Unternehmen setzen sie ein, um Anfragen von Kunden effizient zu beantworten. Wahlen werden mit ihr in den sozialen Netzwerken beeinflusst. Journalisten stellen sich die Frage, ob sie von ihr ersetzt werden könnten. Beim Journalismusfestival in Perugia (3. bis 7. April) beschäftigen sich einige Panels mit der künstlichen Intelligenz. Und bald berichtet ein Bot für Österreich über die Europawahl.

Egon, der Lückenfüller

Damit der Bot einen Namen bekommt, nennen wir ihn doch Egon – eigentlich war Egon ja ein Prototyp der APA-Entwickler, der so nicht realisiert wurde.

Auch dieser Egon arbeitet für die Austria Presse-Agentur (APA). Wer ihn kennt, weiß, dass er im Moment nur ein Thema hat: Spiele der ersten Liga des österreichischen Fußballs. Er verfasst Texte und visualisiert Tabellen. Ob er daran Spaß hat, weiß man nicht so genau. Ihn danach zu fragen ist schwer, denn er ist ein Bot oder auch eine sogenannte Template Engine (Schablonenmaschine). Egon füllt vorgeschriebene Lückentexte aus oder visualisiert Tabellen – fast wie eine Kombination aus Word und Excel.

In der Umgangssprache wird Egon oft als künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet – doch so richtig intelligent ist er nicht. Das betont auch Katharina Schell. Sie ist Mitglied der Chefredaktion der APA und für redaktionelle Innovationen zuständig. Schell hat Egon mitentwickelt und weiß um seine Stärken und Schwächen. Er ist ein Versuchskaninchen in Roboterform. Er soll dazu dienen, erste Gehversuche mit KI in Redaktionen zu machen. Die APA ist dabei nicht das erste Medienhaus, das mit KI experimentiert. "Los Angeles Times" und "Washington Post" etwa arbeiten seit mehreren Jahren mit den unsichtbaren Mitarbeitern.

Das Thema KI in Redaktionen ist ein sensibles. Schnell wird ihr Einsatz mit Einsparungen gleichgesetzt. Die Angst, dass Computer die eigene Arbeitsstelle ersetzen, ist groß. Doch an diesem Punkt ist man noch nicht, und es ist fraglich, ob das jemals der Fall sein wird, sagt Schell. Redakteure müssen Dinge einordnen, Datenpunkte verbinden und daraus ein großes Ganzes schaffen. Sie müssen eine Erzählstruktur schaffen. Darin sind KIs noch schlecht und viel dümmer als der Mensch.

Falschmeldungen irritieren Leser

Wie tückisch der Einsatz von KI im Journalismus sein kann, erfuhr auch die "LA Times" vor zwei Jahren. Der Algorithmus ihres "Quakebots" war darauf spezialisiert, die Leserschaft schnellstmöglich vor Erdbeben zu warnen. Er wurde darauf programmiert, Bewegungen in der Datenbank des Erdbebenregisters in eine Eilmeldung umzuwandeln. Fälschlicherweise wurde eine Änderung im Datensatz des Jahres 1925 vorgenommen, die der Bot als dringend einstufte. Eine Falschmeldung, die viele Leser irritierte.

Redaktionen, die mit Bots arbeiten, setzen sie in der Regel ein, um große Datenmengen aufzubereiten, sie zu filtern oder anschaulicher zu machen. Besonders bei Themen wie Sport oder Finanzen unterstützen sie Journalisten bei ihrer Recherche. Die Zukunft könnte jedoch auch darin liegen, die Inhalte für unterschiedliche Medien aufzubereiten. "Die Zeiten sind vorbei, als ein Sportredakteur nach Ende des Fußballspiels beginnen konnte, seinen Artikel für die Ausgabe des nächsten Tages zu schreiben", meint Schell. "Zum Abpfiff des Spiels muss der Redakteur bereits am besten einen Tweet, einen Facebook-Eintrag und einen Kurztext verfasst haben." Genau diese mediale Mehrgleisigkeit könnte ein Bot dem Redakteur abnehmen. Die Inhalte sollen schließlich den unterschiedlichen Ansprüchen der Rezipienten gerecht werden und nicht umgekehrt.

Fit für die Europawahl

Der nächste Egon erreicht mit der Europawahl Ende Mai das nächste Level. Er wird über den Ausgang der Wahl für die APA berichten. Oder präziser: Die Maschine soll keine bisher von Menschen geleistete Schreibarbeit übernehmen. Das Projekt zur EU-Wahl ist ein Pilot, in dem die APA testet, welcher Content sinnvoll von einer Maschine erstellt werden kann.

Gemeinde für Gemeinde

Schell: "Es geht darum, zusätzliche Texte zu erstellen, die es bisher nicht gab. Nämlich Ergebnis-Kurzberichte auf Gemeindeebene. Meldungen zu einzelnen Gemeinden gab es bisher für besondere Fälle, etwa langjährige Trendgemeinden, Heimatgemeinden von SpitzenkandidatInnen – das haben immer Redakteure gemacht und das wird auch künftig so sein. Ebenso wie die Gesamtberichterstattung über die EU-Wahl." Aber: "Was es bisher nicht gab, war eine Textmeldung zu jeder einzelnen Gemeinde. Das sind über 2000 – und die Resultate haben wir bisher im Tabellenformat zur Verfügung gestellt, zum Teil im Rahmen unseres Basisdiensts, komplett über die Wahlplattform wahlen.apa.at. Die Kapazitäten für 2.000 Kurzmeldungen hat am Wahltag keine Redaktion, in früheren Zeiten hätte auch keine Zeitung Platz dafür gehabt. Digitale Medien aber können solchen Content vielleicht gut brauchen – wie, das herauszufinden ist ebenfalls Ziel dieses Pilotprojekts."

Ein spezialisiertes Team arbeitet seit mehreren Wochen daran, Egon dafür fit zu machen. Zwar ist er immer noch eine Template-Engine, die Lücken füllt, jedoch kann er weit mehr Texte produzieren, als es ein Redakteur es in derselben Zeit könnte.

Doch wer glaubt, dass ein Egon in Zukunft für profitablen Journalismus sorgen wird, der irrt, sagt Schell. Qualitativer Journalismus kann nicht einzig und allein über eine KI funktionieren. Dafür braucht es große Datenmengen, die verifiziert oder sogar eingekauft werden müssen. Zusätzlich ist das Training der künstlichen Intelligenz aufwendig. Alle möglichen Fälle müssen durchgespielt werden. Das erfordert Zeit und Spezialisten. Außerdem braucht es für eine richtig gute Story auch ein wenig Einfühlungsvermögen. (Selina Holešinsky, 4.4.2019)

Wer einen der Egon kennenlernen möchte, findet ihn hier.