Dass Rassismus keine Meinung ist, scheint nicht allen Innsbrucker Politikern klar zu sein.

Foto: imago/Deutzmann

Innsbruck – Nur einer stellte sich dem Mob entgegen. Der damals noch grüne Innsbrucker Gemeinderat Mesut Onay wollte im Frühjahr 2016 das Feld nicht kampflos den Rechtsextremen überlassen. Die marschierten zusammen mit "besorgten Bürgern" fahnenschwingend im Stadtteil Arzl auf, um dort gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft zu demonstrieren. Seite an Seite mit den Identitären: FPÖ-Stadtparteichef Rudi Federspiel und Liste-Fritz-Gründer Fritz Dinkhauser.

Das Video zeigt, wie Mesut Onay (Grüne) sich dem Mob der Rechtsextremisten entgegenstellte.

Ein Video zeigt, wie die Rechtsextremen Onay wegen seines friedlichen Protests angriffen. Es zeigt auch, dass die Politiker nicht etwa eingegriffen haben, um ihn zu beschützen. Sie machten vielmehr den Extremisten die Mauer und versuchten den Grünen wegzudrängen und ihm sein Schild zu entreißen. Federspiel und Dinkhauser hielten sogar Reden auf dieser Demo.

ÖVP-Vizebürgermeister Franz Gruber, damals Flüchtlingsreferent der Stadt, legt Wert auf die Feststellung, dass er in dieser Funktion bei der Veranstaltung eingeladen war. Er habe dort versucht zu erklären, warum es die Flüchtlingsunterkunft brauche. Zu diesem Zweck habe er eine Rede gehalten, die er aber unter gellenden Pfiffen abbrechen habe müssen. Zur Szene im Video sagt Gruber, er habe lediglich versucht, zu deeskalieren und die Streitparteien zu trennen, damit es nicht zu Gewalt komme.

FPÖ forderte Rücktritt Onays

Später forderte FPÖ-Hardliner Federspiel den Rücktritt Onays als Gemeinderat, wegen seines Widerstands gegen die mittlerweile unter Terrorverdacht stehenden Rechtsextremisten. Konsequenzen wegen seiner Unterstützung für den Mob erwog er hingegen nie.

Einer, der Onay – wie im Video klar zu sehen ist – sogar selbst tätlich angegriffen hat, sitzt heute im Innsbrucker Gemeinderat. Es ist der rechte Wutbürger Gerald Depaoli, damals noch Mitglied der Liste Fritz, mittlerweile mit eigener Liste politisch tätig. Er war offenbar als Ordner bei der Demo im Einsatz, wie die orange Warnweste nahelegt. Liste Fritz und FPÖ hatten die Veranstaltung finanziell unterstützt.

Rechtsextreme Propaganda in Regionalmedien

Die Szenen sorgten für regionalpolitische Nachwehen. Im Innsbrucker "Stadtblatt" kam es zu einem eigentümlichen "Offene-Briefe-Wechsel" zwischen Grünen, "besorgten Bürgern" und Identitären. Dabei wurden sogar ungekürzte und unkommentierte Briefe der Rechtsextremisten abgedruckt, die dort ihr wirres Weltbild erklärten. Der Demo-Veranstalter, die sogenannte Interessengemeinschaft Arzl, behauptete, nicht gewusst zu haben, wer die Identitären überhaupt seien. Internetrecherchen hätten keinerlei Anlass für Bedenken gegeben, als die Gruppe im Vorfeld um eine Teilnahme an der Demo anfragte. Die Chemie stimmte offenbar auf Anhieb.

Abgrenzen wollte sich im Nachhinein auch keiner der teilnehmenden Politiker. Im Gegenteil, Onay wurde weiterhin als Provokateur beschimpft, die Identitären in Schutz genommen. (Steffen Arora, 28.3.2019)