Günther Malek ist Allgemeinmediziner und Gründer des Trinicum, Zentrum für Integrative Medizin und Schmerztherapie in Wien.

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"Schmerz ist immer ein Symptom", sagt der Allgemeinmediziner und versucht, die Ursachen zu finden.

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STANDARD: Sie sind Allgemeinmediziner und nennen Ihre Ordination Zentrum für Integrative Medizin und Schmerztherapie. Was verstehen Sie darunter?

Malek: Ich betreibe seit vielen Jahren eine Praxis für Allgemeinmedizin und habe mich über die Jahre auf Schmerzpatienten spezialisiert. Die besondere Herausforderung in der Behandlung von Menschen mit Kopfweh, Rückenbeschwerden oder anderen Arten von Schmerzen ist es, in der Fülle von therapeutischen Möglichkeiten die richtige Behandlungsform zu finden und unterschiedliche Therapieformen zu kombinieren. Bewegung kann ein wichtiger Teil davon sein.

STANDARD: Sieht deshalb ein großer Teil Ihres Zentrums wie ein Fitnessstudio aus?

Malek: Wir sind kein Fitnessstudio, sondern hier bei uns stehen sehr spezialisierte Trainingsgeräte, die wir für die gezielte Behandlung von Menschen mit Schmerzen brauchen. Wir betrachten Trainingstherapie als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes. Wir stellen für Patienten ein personalisiertes Training zusammen.

STANDARD: Noch einmal zurück zum integrativen Ansatz: Welche Therapien werden bei Ihnen kombiniert?

Malek: Wir probieren hier in der Praxis etwas Neues aus. Ein Problem und gleichzeitig eine Stärke unseres Gesundheitssystems ist die zunehmende Spezialisierung. Das Wissen um die Ursachen der Erkrankungen hat massiv zugenommen, das Problem ist nur, dass vieles davon in den einzelnen Fachbereichen passiert, diese Fachbereiche aber viel zu wenig stark miteinander verzahnt sind.

STANDARD: Wie genau meinen Sie das?

Malek: Gehen wir von einem Patienten mit Rückenschmerzen aus. Meist finden sich bei Untersuchungen eine Vielzahl von Problemen und Ursachen des Schmerzes. Es wird dann von verschiedenen medizinischen Fachbereichen diagnostiziert. Doch die Zusammenschau, die für einen Patienten wirklich relevant ist, fehlt oft.

STANDARD: Und wie gehen Sie das an?

Malek: Für einen Patienten ist die Frage einer genauen Diagnose oft irrelevant. Es geht darum zu klären, was eine Diagnose konkret bedeutet. Bei einem 60-Jährigen zum Beispiel ist es wahrscheinlich, dass viele Organe nicht mehr so wie bei jungen Menschen aussehen und funktionieren. Das Alter sieht man an der Wirbelsäule, an den Organen, am Blutbild. Die Behandlung ist manchmal abhängig vom jeweiligen Spezialisten, den so jemand aufsucht. Auf diese Weise kann ganz schön viel Therapie zusammenkommen.

STANDARD: Gut oder schlecht?

Malek: Das ist so pauschal nicht zu beantworten. Die Rolle der integrativen Medizin sollte immer der ganzheitliche Blick auf den Menschen sein. Hier in der Ordination arbeiten ja auch viele Spezialisten zusammen, doch wir stellen uns immer die Frage, was unsere unterschiedlichen Erkenntnisse für den Patienten bedeuten und wie sich das Wissen in einer Therapie vereinen lässt. Oft gibt es für Schmerzen ja auch unterschiedliche Ursachen. Da ist jeder Mensch sehr individuell.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Malek: Der menschliche Körper ist sehr komplex, Rückenschmerzen können durch ganz verschiedene Ursachen entstehen. Es kann, aber muss nicht mit der Körperhaltung zusammenhängen. Es kann eine Gelenksproblematik enthalten sein oder nicht. Es kann einen psychischen Anteil geben, aber auch die Art der Lebensführung kann eine Rolle spielen. Unsere Aufgabe ist es, Patienten eine Hilfestellung zu geben, wo sie ansetzen können.

STANDARD: Und was dann?

Malek: Machen wir einen Plan. Sehr oft ist auch ein Bewegungs-Part enthalten.

STANDARD: Doch dafür könnten die Leute auch in ein Fitnessstudio gehen. Warum machen Sie das selbst?

Malek: Weil wir gesehen haben, dass viele Schmerzpatienten Anleitung brauchen. Zum einen geht es um exakte Bewegungen, da haben die Physiotherapeuten eine wichtige Rolle. Es geht dabei auch um Langfristigkeit. Oft sind Schmerzen ja das Resultat von falsch eingespielten Bewegungsmustern. Sie im Sinne einer Gelenkschonung zu verändern kann schon ein paar Monate dauern und braucht Anleitung. Oft geht es aber auch um Motivation.

STANDARD: Sie meinen, Menschen zur Bewegung zu animieren?

Malek: Wir wissen aus der Rehabilitation, dass Menschen mit akuten Schmerzen von Physiotherapie profitieren. Wenn diese Physiotherapie vorbei ist, machen nur 20 Prozent ihre Übungen zur Muskelstärkung weiter. Die anderen hören auf. Auch hier wollen wir ein Angebot machen, die Menschen in Bewegung zu halten.

STANDARD: Was genau bieten Sie alles an?

Malek: Wir integrieren die komplette Schulmedizin in unsere Behandlungen, haben darüber hinaus aber auch Akupunktur, manuelle Medizin und die chinesische Kräuterkunde im Programm. Für jedes Verfahren, das wir anwenden, muss es einen Wirknachweis geben.

STANDARD: Sie sind Wahlarzt. Wäre so ein Angebot im Rahmen der Krankenkasse nicht möglich?

Malek: Leider nein. Die Krankenkassenmedizin ist sehr großzügig in der Verschreibung von röntgenologischen Untersuchungen oder Operationen – wenn es aber um die Zeit geht, die ein Arzt für einen Patienten aufwendet, setzt man weit unter dem Minimum an.

STANDARD: Was ist Ihr Zeitrahmen?

Malek: Ich brauche mindestens eine Stunde pro Patient. So viel Zeit ist erforderlich, um mir ein Bild zu machen. Da gehören die Körperhaltung eines Patienten, seine persönlichen Lebensumstände, seine Krankengeschichte dazu. Nur wenn ich das weiß, kann ich auch einen guten Weg finden. Wir haben viele ältere Patienten hier bei uns. Für sie ist diese Zusammenschau besonders wichtig. Sie haben zum Teil viele unterschiedliche Leiden und brauchen jemanden, der den Überblick hat.

STANDARD: Kommen auch Jüngere?

Malek: Ja, vor allem Patienten mit Schmerzen, die draußen keine Lösung gefunden haben. Kopfweh, Rückenschmerzen, Magen-Darm-Probleme: Das sind aus meiner Sicht die großen Themen unserer Zeit.

STANDARD: Wie sehen Sie, ob Sie mit diesem Ansatz erfolgreich sind?

Malek: Wir haben uns vorgenommen, unseren Outcome auch wissenschaftlich zu messen und Patienten im Laufe einer Behandlung über ihre Lebensqualität zu befragen. Denn auf die kommt es schließlich an. Bei Schmerzpatienten ist die Freude am Leben oft stark beeinträchtigt. Dagegen arbeiten wir. Und vielleicht bekommen wir Daten, die dann auch die Krankenkassen überzeugen. (Karin Pollack. 22.4.2019)