Wien – Der Artikel "Sex-Täter lauerte Nachts im Gebüsch auf Joggerin" auf krone.at verstößt nach Ansicht des Senats 2 des Presserats gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. Das teilt das Selbstkontrollorgan der österreichischen Presse am Freitag in einer Aussendung mit. Die Medieninhaberin von krone.at hat am Verfahren nicht teilgenommen. Die Mitteilung an den Presserat kommt von der Betroffenen selbst.

Im Artikel, der am 21. Oktober 2018 erschienen ist, steht, dass eine 29-jährige Joggerin im Mühlviertel von einem im Gebüsch lauernden Mann angegriffen worden sei. Der Täter habe die Frau dann ins Gebüsch ziehen wollen. Glücklicherweise habe die Frau flüchten können. Der mutmaßliche Sex-Täter sei entkommen. Die Fahndung nach ihm sei bisher erfolglos geblieben. Die betroffene Joggerin kritisiert, dass hier von einem "Sex-Täter" die Rede sei, obwohl es dafür keinen Hinweis gebe.

Kein "Sex-Täter"

Der Presserat schreibt, dass aus der Presseaussendung der Landespolizeidirektion Oberösterreich zu diesem Fall hervorgehe, dass der Täter das Opfer von hinten an den Knöcheln gepackt habe, wodurch die Frau zu Sturz gekommen sei: "Der Täter habe sie zu sich gezogen, dabei sei ihr der linke Laufschuh vom Fuß gerutscht. Daraufhin sei der Täter mit dem Schuh weggelaufen. Das Opfer habe der Polizei gegenüber erklärt, dass es bei dem Überfall zu keinen sexuellen Berührungen gekommen sei. Da niemand hinter der Frau gelaufen sei, müsse der Täter im Gebüsch auf sie gewartet haben."

Laut Punkt 2.1. des Ehrenkodex des Presserats gehören Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in der Wiedergabe von Nachrichten zu den obersten Verpflichtungen von Journalisten. Dieser Grundsatz sei nach Ansicht des Senats hier missachtet worden, heißt es in der Begründung des Presserats. Im Titel sei von einem "Sex-Täter" und im Artikel selbst von einem "mutmaßlichem Sex-Täter" die Rede, obwohl in der Presseaussendung der Polizei ausdrücklich angemerkt werde, dass es laut Opfer zu keinen sexuellen Berührungen gekommen sei.

Belastung für das Opfer

"Dass es sich hier um einen "Sex-Täter" gehandelt haben könnte, ist lediglich eine Spekulation über das Motiv, die den Lesern der 'Kronen Zeitung' als Tatsache präsentiert wird. Für das Opfer kann es eine zusätzliche Belastung sein, wenn im Artikel von einem sexuell konnotierten Tathintergrund geschrieben wird, ohne dass ein solcher Tathintergrund eruiert werden konnte", heißt es.

Die "Kronen Zeitung" und ihr Onlineableger krone.at werden seit Jahren vom Presserat für die häufigsten Ethikverstöße innerhalb Österreichs Medienlandschaft gerügt. Im Jahr 2018 waren es beispielsweise 15. Die "Krone" ist nicht Mitglied des Presserats. (red, 29.3.2019)