Linz – Ein raues Klima ist Angela Ruep durchaus gewöhnt. Wer am Wetterberg in der kleinen Gemeinde Altenberg nahe Linz wohnt, der spürt an manchen Tagen Mutter Natur deutlich intensiver. Aber so richtige dunkle Wolken zogen im Leben der 52-jährigen Spielpädagogin erst im November des Vorjahrs auf. Am Zweiten des besagten Monats bekam die temperamentvolle Künstlerin in den Morgenstunden Besuch. Nicht ganz überraschend, denn der Auftritt des "Herrn im feinen Zwirn" hatte sich bereits zuvor angekündigt.

Zunächst teilten die Nachbarn telefonisch mit, dass besagter Herr bei ihnen nach Angela Ruep gefragt habe. Was folgt, ist ein kurzes Telefonat am darauffolgenden Tag; Ruep stimmt einem Treffen zu. "Es war ein hektischer Morgen, ich war an diesem Tag als Spielpädagogin gebucht und musste eigentlich weg", erinnert sich die Altenbergerin.

Der Besuch stellt sich "überaus höflich" als Herr G. vor – und hat ein Angebot seiner Firma im Gepäck. Konkret bietet das Unternehmen Onlineauftritte für Unternehmer und Direktvermarkter, um sich entsprechend präsentieren zu können.

So weit, so harmlos – doch das Problem liegt ganz offensichtlich in der Geschäftsanbahnung. Ruep: "Herr G. hat mir bereits am Telefon den Eindruck vermittelt, er handle im Auftrag der Gemeinde, alles sei mit dem Bürgermeister abgesprochen." Tatsächlich erweckt auch die dem STANDARD vorliegende Werbebroschüre auf den ersten Blick den Eindruck einer kommunalen Dienstleistung.

Kommunale Warnungen

Das Problem dabei: Entsprechende Aufträge oder Absprachen mit den jeweiligen Gemeinden oder deren Oberhäupter gibt es offensichtlich nicht. So findet sich auf der Homepage manch einer Gemeinde gar eine Warnung vor dem mitunter als "unseriöse Werbefirma" bezeichneten Unternehmen von Herrn G. Auch im übrigen Österreich und selbst in Bayern distanzieren sich unzählige Städte und Gemeinden von dem kommunalen Online-Projekt.

Viele von denen, die in den letzten zehn Jahren Verträge unterzeichnet haben, fühlen sich betrogen. Manche haben G. gar geklagt. Doch vor dem Kadi blieb bislang immer Herr G. siegreich. Aktuell beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft Steyr mit den jüngsten Anzeigen in der Causa. Im Raum steht der Verdacht des Betrugs in mehreren Fällen. Sprecher Andreas Pechatschek rechnet aber erst "in einigen Wochen" mit einer Entscheidung.

Auch Angela Ruep hat den ihr vorgelegten Vertrag unterzeichnet. "Natürlich war ich blöd und habe unterschrieben. Aber ich hab mir gedacht, dass das ein Projekt der Gemeinde ist – was Herr G. auch stets betont hat. Und als Kosten würden 79 Euro anfallen. Dass der Spaß eigentlich ein Zehnjahresvertrag ist und insgesamt 948 Euro kostet, blieb unerwähnt. Das steht dann ganz klein gedruckt irgendwo hinten im Vertrag."

Zumindest ist die Künstlerin mit ihrem Ärger nicht allein. Zwanzig Mühlviertler Kleinunternehmer haben in den letzten Monaten Verträge unterschrieben. Sie alle eint das Gefühl, mit dem Versprechen auf kommunale Online-Ehren hinters Licht geführt worden zu sein. Antrieb genug, um jetzt gegen G. rechtlich vorzugehen. Ruep: "Wir haben alle Anzeigen eingebracht. Auch wenn wir wahrscheinlich aus dem Vertrag nicht mehr herauskommen: Wir fühlen uns hintergangen und wollen nun andere warnen."

G. selbst ist sich auf STANDARD-Anfrage keiner Schuld bewusst: "Ich habe mit Frau Ruep bereits im Oktober einen Termin für den 2. November vereinbart. Bei diesem ersten Treffen habe ich ihr auch entsprechende Unterlagen übermittelt." Es sei daher "ausreichend Zeit" gewesen, sich zu informieren.

Vorwürfe zurückgewiesen

Mehrmals habe er dann bei dem Termin – "wie bei allen anderen Gesprächen auch" – im November darauf hingewiesen, dass es "kein Auftragsverhältnis" mit einer Gemeinde gebe. Mit den Kunden werde dann für die Leistungen stets ein Auftragswert von 790 Euro schriftlich vertraglich vereinbart – und eine Zahlbarkeit in zehn Raten zu 79 Euro laut AGB angeboten, ohne etwaige Mehrkosten. (Markus Rohrhofer; 29. 03. 2019)