Vorerst wurden 33 durch Tränengas und Geschoße Verletzte gezählt.

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Zustammenstöße zwischen der israelischen Soldaten und palästinensischen Demonstranten an der Gaza-Grenze.

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Im südlichen Israel sind in der Nähe der Grenze zu Gaza Panzer stationiert.

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Jerusalem/Gaza – Auf beiden Seiten des israelisch-palästinensischen Grenzzauns hatten sie sich auf diesen Protestnachmittag vorbereitet. Auf der einen Seite: israelische Scharfschützen und Soldaten der Panzerbrigade. Auf der anderen: palästinensische Demonstranten, manche mit Fahnen in der Hand, andere mit Schleudern. Bis zum Nachmittag meldete die israelische Armee 40.000 Teilnehmer an verschiedenen Stellen entlang des Grenzzauns. Einige sollen Steine geworfen und Autoreifen in Brand gesteckt haben. Auch Granaten und andere explosive Geschoße seien in Richtung des Grenzzauns abgefeuert worden. Die Armee antwortete unter anderem mit Tränengas und Geschoßen. Berichten zufolge wurde am Nachmittag ein 17-jähriger Palästinenser getötet.

Ein weiterer 17-Jähriger sei östlich von Khan Younis im Süden des Gazastreifens am Oberkörper von tödlichen Schüssen der israelischen Armee getroffen worden, erklärte das Gesundheitsministerium der von der radikalislamischen Hamas geführten Regierung in Gaza. Mindestens 316 Palästinenser seien verletzt worden, darunter 64 durch Schüsse, hieß es aus dem Gesundheitsministerium.

Eine-Million-Marsch

Die Proteste am Samstag markieren den Jahrestag des "Marschs der Rückkehr" vor genau einem Jahr. Seither wurden im Zuge der Grenzproteste laut dem UN-Koordinierungsbüro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) mindestens 195 Palästinenser getötet und tausende verletzt. Die Hamas hatte zum Jahrestag am 30. März zu diesem sogenannten "Eine-Million-Marsch" aufgerufen. Nicht nur Palästinenser in Gaza und im Westjordanland, sondern überall auf der Welt sollten teilnehmen. Die Demonstranten fordern die Aufhebung der Gaza-Blockade und das Recht auf Rückkehr in jene Städte und Dörfer im heutigen Israel, in denen ihre Vorfahren vor der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 gelebt haben.

Außerdem begehen Palästinenser am 30. März den "Tag des Bodens" und erinnern damit an die Landenteignung sowie an den Tod von sechs israelischen Arabern, die 1976 bei Protesten dagegen getötet wurden. Auf israelischer Seite hatte sich die Armee auf eine Eskalation an der Grenze vorbereitet und die Palästinenser gewarnt, sich vom Zaun fernzuhalten, um ihr Leben nicht zu riskieren. In einem Video sagte ein Kommandeur auf Arabisch, Demonstranten sollten sich der Grenze nicht näher als bis zu 300 Meter nähern.

Verletzte nach Raketenangriff

Die Lage war nach den Gefechten zwischen Israel und der Hamas Anfang der Woche besonders angespannt: Eine Rakete aus dem Gazastreifen hatte am Montagmorgen ein Wohnhaus im Zentrum Israels getroffen und sieben Menschen verletzt. Israel reagierte mit dem Beschuss von Hamas-Zielen im Gazastreifen, unter anderem wurde jenes Gebäude zerstört, in dem sich das Büro von Hamas-Chef Ismail Haniyeh befunden haben soll. Die Hamas arbeitet nun nach eigenen Angaben mit einer ägyptischen Delegation an einem Waffenstillstand.

Uno ruft zu Mäßigung auf

Auch mit den Vereinten Nationen sei sie in engem Kontakt. Die UN riefen unterdessen beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Der UN-Sondergesandte Nickolay Mladenov schrieb auf Twitter, die Hamas müsste sicherstellen, dass die Proteste friedlich blieben und Kinder nicht in Gefahr gebracht werden. Ägypten und die Vereinten Nationen bemühen sich laut Medienberichten seit Tagen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. Dabei gehe es zumindest um eine vorläufige Vereinbarung zwischen beiden Seiten bis nach der Parlamentswahl in Israel am 9. April, hieß es.

Das deutsche Auswärtige Amt warnte: "Das Risiko einer hochgefährlichen Zuspitzung an der Grenze zwischen Gaza und Israel ist offensichtlich." Das Recht auf friedlichen Protest gelte auch im Gazastreifen, hieß es in einer Mitteilung. Aber: "Dieses Recht darf nicht – wie wir dies immer wieder gesehen haben – zum Vorwand für Hetze genommen oder missbraucht werden, um Gewalt aus der Menge heraus zu üben oder Gewaltakte zu legitimieren."

Berichte über Einigung

Die linksliberale Zeitung "Haaretz" berichtete am Freitagabend, Israel und palästinensische Gruppierungen hätten eine Einigung erzielt. Danach habe die Hamas sich dazu bereiterklärt, die Demonstranten am Samstag vom Grenzzaun fernzuhalten. Israel werde sich dagegen bei der Zerschlagung der Unruhen zurückhalten und unter anderem die Einfuhr von Waren in den Gazastreifen erleichtern.

Ein Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte sich am Abend zunächst nicht dazu äußern. Ein führendes Mitglied der Hamas sagte, Israel habe nach Angaben Ägyptens seine Zustimmung zu Forderungen für eine Lockerung der Blockade um den Gazastreifen gegeben.

Bereits vor dem offiziellen Beginn der Proteste ist nach palästinensischen Berichten ein 20-jähriger Mann getötet worden. Er sei an nächtlichen Krawallen beteiligt gewesen und habe sich nur 100 Meter von der Grenze entfernt aufgehalten.

Die israelische Armee berichtete, dass bereits am Abend zuvor Brandsätze an der Grenze in Richtung Israel geworfen wurden. Sie reagierte mit dem Beschuss eines Militärpostens der Hamas im nördlichen Gazastreifen. Am Samstagmorgen hatten zwei Buben nach Angaben der Armee versucht, mit einem Messer bewaffnet den Grenzzaun zu durchbrechen. Israelische Soldaten schickten sie zurück in den Gazastreifen.

Fünf Raketen abgefeuert

Aus dem Gazastreifen sind in der Nacht auf Sonntag fünf Raketen auf Israel abgefeuert worden. Israelische Panzer beschossen nach Angaben der Armee daraufhin Militärposten der radikalislamischen Hamas. Es habe keine Opfer durch den Raketenbeschuss gegeben, hieß es. Ungeachtet des andauernden Konflikts öffnete Israel am Sonntag nach Angaben aus Sicherheitskreisen die Grenzübergänge in den Gazastreifen. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, dpa, APA, 1.4.2019)