"Die Strategie von Fake-News besteht darin, Chaos und Unsicherheit über alle Medien und Informationsquellen zu stiften": Jaroslav Valůch, Faktenchecker und Vermittler von Medienkompetenz.

Foto: Lukas Houdek

Jaroslav Valůch leitet für die tschechische Regierung eine Kampagne gegen Hass und Gewalt. Er ist Projektmanager bei Transitions, einer in Prag ansässigen Organisation für Medienentwicklung. Dort leitet er die Initiativen zur Medienkompetenz und Desinformation, darunter factczech.cz, das tschechische Journalisten und Studenten bei Verifizierung und Factchecking unterstützt. Beim Journalismusfestival in Perugia (3. bis 7. April) diskutiert Valůch über Vertrauensbildung der Medien in Mitteleuropa.

Wie hat sich das Vertrauen in die Medien verändert?

Valůch: Global lässt sich ein signifikanter Rückgang des Vertrauens in Nachrichten, Medien und Journalisten erkennen. Man kann diese Entwicklung auch Untergraben des Vertrauens nennen, da es sich um einen kontinuierlichen Prozess über einen langen Zeitraum mit vielen Aspekten handelt. Weltweit kann es verschiedene Gründe für diesen Vertrauensrückgang geben, die abhängig von historischen, kulturellen und politischen Faktoren sind. Dennoch gibt es mehrere allgemeine globale Faktoren, etwa den Zerfall von medialen Geschäftsmodellen, das Aufkommen des Internets und der sozialen Medien, Bürgerjournalismus, den Aufstieg des Populismus und die kulturelle und soziale Polarisierung. Es gab jedoch nie ein weltweites, goldenes Zeitalter für Medien, daher muss jetzt auch nicht unbedingt Panik ausbrechen, wenn man sich die sinkenden Zahlen und Statistiken zum Vertrauen in Medien ansieht.

In den meisten Teilen der Welt war die mediale Freiheit historisch gesehen lange limitiert, und Mainstreammedien waren oft ein Synonym für verstaatlichte und streng kontrollierte Berichterstattung. Daher sollte Vertrauen oder Misstrauen gegenüber offiziellen Medienquellen nicht unbedingt als Problem gesehen werden, das durch einen Wiederaufbau des Glaubens in sie gelöst werden kann. Leider sehen wir aber auch einen starken Vertrauensverlust gegenüber Quellen oder Journalisten, die immer versucht haben, hohe ethische und professionelle journalistische Standards einzuhalten. Das ist also in der Tat ein Problem.

Wie kann man Vertrauen in Medien definieren beziehungsweise kategorisieren?

Valůch: "Vertrauen in Medien" ist zu einfach, um das nötige Verständnis für die Vielfältigkeit der Beziehungen zwischen Medien und Rezipienten aufzubringen. Wissenschafter sind der Meinung, dass zumindest zwischen zwei Arten des "Vertrauens in Medien" unterschieden werden soll – dem reflektierenden und dem affektiven Vertrauen. Die reflexive Komponente ist mit der Erwartung verknüpft, dass Medien von Rationalität, die für Expertensysteme typisch ist, angetrieben wird und somit objektiv ist. Diese oft intuitive Erwartung geht davon aus, dass Medien einen gewissen Qualitätsstandard zu erfüllen haben, beispielsweise das Verwenden von Zitaten, eine korrekte Finanzierung, Beachtung der Moral und das Unterscheiden von Fakten und Meinungen.

Die affektive Komponente hingegen basiert auf der Erwartung, dass Medien subjektiv sein sollen, um "uns" wahrheitsgetreu zu repräsentieren, damit "unsere" gemeinsamen Interessen, Meinungen und Werte – also "unsere" kollektive Identität – nicht gefährdet werden. Dieser affektive Aspekt ist im Zeitalter der sozialen Medien besonders dominant, da alternative Quellen, die im Gegensatz zu herkömmlichen, professionellen Medien Überzeugungen und Gruppenidentitäten bekräftigen, sehr leicht zu finden sind. Ich möchte den Forschern, die diese Begriffe vorgeschlagen haben, meine Anerkennung aussprechen – Jakub Macek und Alena Macková. Viele Befragte würden aufgrund der reflektierenden Komponente sagen, dass sie traditionellen Medien wie dem Radio am ehesten vertrauen, doch das hat nicht automatisch zu bedeuten, dass sie diese auch am meisten konsumieren oder ihre Entscheidungen nach diesen ausrichten. Ihre Lieblingsquellen, Freunde und Kontakte, in die sie ihr affektives Vertrauen investieren, könnten sich ebenso in den sozialen Medien befinden und ihre Entscheidungen beeinflussen, nur sehen sie diese nicht als die tatsächlichen "Medien" an.

Was ist Ihre Meinung über das Vertrauen in verschiedene Arten von Medien? Welchen Medien wird am meisten vertraut?

Valůch: Zahlreiche Daten und Statistiken liefern spezifische Zahlen für verschiedene Regionen. Das Problem mit Definitionen liegt darin, zu entscheiden, welche Arten von Medien als Maßstab des Vertrauens verwendet werden sollen. Oft besteht ein großer Unterschied in der Art und Weise, wie verschiedene Medienformate von Akademikern beziehungsweise Medienfachleuten und den wirklichen Konsumenten aufgenommen werden. Viele Rezipienten sehen Nachrichten von öffentlichen oder privaten Fernsehsendern online, die intensive webbasierte Berichterstattung betreiben und eine hohe Social-Media-Präsenz aufweisen. Andererseits landen auch Inhalte und Konversationen aus sozialen Medien in den Schlagzeilen und dem abendlichen Fernsehprogramm. Wenn mich jemand fragen würde, welcher Art von Medium ich am meisten vertraue, wäre das für mich schwer zu beantworten. Nützlicher, aber stark vereinfacht, finde ich es, zwischen professionellen und alternativen Medien zu unterscheiden. So betrachtet, kann gesagt werden, dass das Vertrauen in professionelle Medien abgenommen hat, da "alternative" Quellen attraktivere Inhalte bieten, die nicht nur mit den Meinungen und Werten des Lesers übereinstimmen, sondern durch die "Bubbles" der sozialen Medien effektiv an jeweilige Zielgruppen überliefert werden.

Wie beeinflussen Fake-News das Vertrauen in Medien?

Valůch: Fake-News nutzen die Tatsache, dass das Vertrauen der Menschen in professionelle Medien seit geraumer Zeit sinkt. Die Strategie von Fake-News besteht darin, Chaos und Unsicherheit über alle Medien und Informationsquellen zu stiften. Ziel ist, Menschen vom Medienjournalismus zu befreien und die Gesellschaft mit Misstrauen und dem Gefühl zu infizieren, dass die Suche nach der "Wahrheit" keine Rolle spielt, weil sie nie gefunden werden kann. Es geht auch um den Vertrauensverlust in unsere eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Glaubwürdigkeit von Informationen zu finden und zu bewerten. Dies ist wichtig, weil wir kaum Vertrauen in die Medien aufbauen können, wenn uns das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten fehlt, zuverlässige und verantwortungsvolle Informationsquellen zu identifizieren.

Wie beeinflussen soziale Medien das Vertrauen in Medien?

Valůch: Soziale Medien bieten individualisierte mediale Daten und das Gefühl, einander nahe zu sein mit Menschen, die die Welt um uns herum genauso empfinden, und das ist die Gewissheit, was "normal" ist. Die Informationsquellen sind unsere Kontakte und Freunde. Das Vertrauen wird in sie als Quellen investiert, auch wenn die Hauptquellen sehr weit entfernt und fragwürdig sein können. In einem solchen Umfeld ist es einfach, das affektive Vertrauen zu unseren Kontakten und Freunden zu nutzen und die professionellen Medienquellen als jemanden zu beschuldigen, der unsere Ansichten und Werte nicht respektiert.

In Deutschland kam Ende 2018 einer der größten Skandale innerhalb eines Mediums ans Tageslicht. Der Journalist Claas Relotius hat große Teile von 60 Aufdeckerstorys frei erfunden. Wie sollen Rezipienten den Medien nach Vorfällen wie diesen noch vertrauen?

Valůch: Ich denke, das die Rezipienten den Medien weiterhin vertrauen können, weil es sich um spezifische und sehr seltene Fälle handelt. Die Medien haben schnell gehandelt und waren sehr offen für solche Dinge, sobald sie ausgebrochen waren. Einen ähnlichen Fall gab es bereits 2003 mit Jayson Blair, einem Journalisten der "New York Times". Jedenfalls scheinen in meinen Augen Vorfälle wie diese nicht der Grund für den Verlust des Vertrauens in Medien zu sein. Sie sind sehr sporadisch und extrem. Wenn Menschen die Presse für etwas kritisieren, handelt es sich meist eher um Dinge wie Zweifel an der Ausgeglichenheit ihrer Berichterstattung, die Art und Weise, wie Themen selektiert werden, mediale Sensationsgeilheit oder übertriebene politische Korrektheit. In einer solchen Atmosphäre ist das Versagen einzelner Personen ein kleines Problem, auch wenn sich die kritische Menge daran erfreut und Vorfälle wie diese als Mittel verwendet, um ihre Zweifel an Medien zu bestärken.

Was können Medien tun, um das Vertrauen in sie wieder zu stärken?

Valůch: Versuche, das Vertrauen in professionelle Medien wiederaufzubauen, sind vielleicht generell unrealistisch oder gar nicht erstrebenswert. In dem neuen und sich stetig wandelnden medialen Wirtschaftssystem müssen wir stattdessen neue Wege finden, Interaktionen und Beziehungen zwischen jenen, die hochwertige Inhalte produzieren, den Qualitätsstandard des Journalismus würdigen und respektieren und ihren Beruf als Leistung für die Öffentlichkeit sehen, und jenen, die diese Inhalte konsumieren und aufgrund dieser Entscheidungen – wie zum Beispiel bei politischen Wahlen – treffen, zu ermöglichen.

Ich habe viele Gespräche mit älteren Tschechinnen und Tschechen geführt. Es ist erkennbar, dass die Leute derzeit professionellen Medien nicht vertrauen. Gleichzeitig äußern sie aber ihr Interesse und Verlangen nach Qualitätsjournalismus. Natürlich kann man jetzt darüber diskutieren, wie Gruppen oder Menschen Qualitätsjournalismus definieren, aber dennoch bietet dies zumindest eine erste gemeinsame Basis, die weiter ausgebaut werden kann. Zumindest haben wir eben diese gemeinsame Basis, was in solchen polarisierten und fragmentierten Diskussionen ziemlich selten ist. Der Vertrauensbruch kann nicht allein mit den Mitteln rückgängig gemacht werden, die ihn verursacht haben, beispielsweise den sozialen Medien. Daher bin ich sehr skeptisch gegenüber traditionellen PR-Strategien und Social-Media-Kampagnen. Die neuen Beziehungen zwischen Medien und Rezipienten müssen großteils persönlich und offline etabliert werden. Es müssen offline soziale Netzwerke, die sich auf ein gemeinsames Verständnis für hochwertige, verantwortungsvolle Informationsverarbeitung fokussieren, errichtet werden. Es muss authentisch sein und nicht von PR-Firmen vermittelt werden.

Zudem müssen professionelle Medien offener und erzieherischer an die Handhabung von Informationen herangehen. Sie sollen mindestens die Basics erklären – Genres, ethische Normen, den Prozess der Informationsgewinnung –, aber natürlich auch Factchecking-Tools anbieten. Beide Seiten müssen zeigen, dass sie es ernst meinen. Rezipienten muss beigebracht werden, wie sie ihre Medienkompetenz selbstständig anwenden können. Eine Balance muss gefunden werden zwischen dem sogenannten "Gotcha"-Journalismus und einem lösungsorientierten Journalismus, der die sozialen Probleme unserer Gemeinschaften behandelt. Diese Kommunikation muss außerhalb von PR-Methoden und Nachrichtenproduktionen stattfinden. Wir brauchen strategische Kommunikation, wenn professionelle Medien das Bedürfnis haben zu kommunizieren. Auch das Sprechen über Journalismus muss als Teil des guten Journalismus angesehen werden.

Einer von der EU-Kommission durchgeführten, auf statista.com veröffentlichten Studie zufolge ist das Vertrauen in Rundfunk und Fernsehen am höchsten. Wie können diese Medien das hohe Vertrauen in ihre Angebote aufrechterhalten?

Valůch: Wenn Fernseh- oder Rundfunkunternehmen ihr hohes Vertrauen behalten möchten, müssen sie sich an die Richtlinien des hochwertigen Journalismus halten, aber auch offener werden. Außerdem können gewisse Maßnahmen ergriffen werden, etwa der Versuch, die Produktionsabläufe der Berichterstattung zu erklären, Fehlerbehebung und Entschuldigung für Fehler, Respekt gegenüber Lesern, das Einbringen in Konversationen über Journalismus, lokal und offline. Journalisten und Medien sollten ihr Bestes geben, sich nicht von den Begierden der Technologiegiganten beeinflussen zu lassen. Das ist keine leichte Aufgabe, gerade wenn die Redaktionen mit Problemen ringen. Doch was haben wir zu verlieren, wenn man die stetige Abnahme des Vertrauens in Medien betrachtet? Glücklicherweise wurde diese Debatte nicht erst kürzlich thematisiert, es sind bereits zahlreiche Initiativen wie thetrustproject.org und andere lokale Experimente vorzufinden, die weitere Möglichkeiten behandeln. (Michael Chudik, 3.4.2019)