Der Bausektor hat im März besonders stark zum Rückgang der Arbeitslosigkeit beigetragen.

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Wien – Das Erwerbsrisiko ist in Wien besonders hoch. Jugendliche mit lediglich einem Pflichtschulabschluss stehen – hochgerechnet auf ihre Lebensarbeitszeit von 45 Jahren – in der Bundeshauptstadt massiv in der Gefahr, 15 Jahre lang "Stammkunde" beim Arbeitsamt zu sein. Das erschließt sich aus der am Montag veröffentlichten Sonderauswertung des Arbeitsmarktservice (AMS) zum Thema "Arbeitsmarkt und Bildung" für das Jahr 2018.

Ausgangspunkt sind dabei die Arbeitslosenquoten nach Ausbildung, Geschlecht und Bundesland. Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist demnach für Personen, die keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Bildungsabschluss vorweisen können, grundsätzlich hoch, streut aber im Bundesländervergleich zwischen 13,6 Prozent in Tirol und Wien mit 32,2 Prozent gewaltig. Das ist zwar schon deutlich besser als in den schlimmsten Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise, wo der Anteil in Wien fast bei 40 Prozent lag, aber immer noch deutlich negativ.

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Zugespitzt formuliert bedeutet das: Ein Lehrabschluss reduziert das Risiko in Wien, in die Arbeitslosigkeit zu schlittern, um zwei Drittel. Denn die Arbeitslosenquote für Personen nur mit Lehrabschluss lag im Vorjahr in Wien bei 12,1 Prozent, wobei vorgemerkte Arbeitslose einer Bildungsebene in Relation zum Arbeitskräftepotenzial (Arbeitslose plus unselbstständig Beschäftigte des aktuellen Monats) derselben Bildungsebene gesetzt wurden.

Mit 12,1 Prozent arbeitslosen Facharbeitern lag Wien zwar immer noch dreimal so hoch wie das Industrieland Oberösterreich (3,8 Prozent) oder Salzburg (4,5 Prozent), aber deutlich besser als bei der Quote der arbeitslosen Pflichtschulabsolventen oder gar der Personen ohne Schulabschluss. Zwischen Letzteren beiden wird in der Statistik nicht differenziert, ihre Chancen am Arbeitsmarkt sind gleichermaßen schlecht.

Aufqualifizierung

Als Gegenmittel versucht das AMS Wien, Jugendliche in überbetrieblichen Lehrwerkstätten unterzubringen, um sie für den ersten Lehrstellenmarkt fit zu machen. Bei mehr als einem Drittel der insgesamt 4220 Auszubildenden in überbetrieblichen Lehrwerkstätten im laufenden Lehrjahr 2018/19 sei diese Aufqualifizierung im ersten Lehrjahr gelungen, sagt der Sprecher des AMS Wien, Sebastian Paulick. Sie wechselten zu Arbeitgebern im freien Markt. Dabei helfe natürlich die Hochkonjunktur. Im kommenden Lehrjahr 2019/20 rechnet man mit weniger Lehrlingen in überbetrieblichen Lehrwerkstätten: Im zweiten und dritten Lehrjahr sollte ihre Zahl von 2400 auf 2000 zurückgehen, im ersten Jahr dürfte sie von 1810 auf 1900 steigen.

Um Unternehmen die Scheu vor dem zweiten Lehrstellenmarkt zu nehmen, veranstaltet das AMS Kontaktbörsen wie vorige Woche auf dem Flughafen in Schwechat, wo 750 Lehrlinge aus überbetrieblichen Einrichtungen mit 50 Firmenchefs oder deren Personalisten zusammentrafen, die rund 600 Lehrstellen im Angebot hatten, schildert AMS-Sprecher Paulick. Wie hoch die Erfolgsquote ist, weiß man noch nicht, aber für die Jugendlichen war es ein wichtiger Übungsplatz.

Massiver Aufqualifizierungsbedarf

Wien ist mit diesem Problem übrigens nicht allein, auch in Kärnten und Niederösterreich besteht massiver Aufqualifizierungsbedarf. Dort waren die Arbeitslosenquoten von Pflichtschulabsolventen mit 28,7 bzw. 23,5 Prozent kaum besser als in Wien.

Wie sehr Arbeitslosigkeit an Bildung hängt? 44 Prozent der Österreicher ohne Job haben maximal Pflichtschulabschluss, die Arbeitslosenquote beträgt bei ihnen 22,8 Prozent, was einer Verdoppelung seit der Finanzkrise 2008 bis 2015 entspricht. Nur in der Hochkonjunktur beschäftigten Unternehmen auch Niedrigqualifizierte, warnt AMS-Chef Johannes Kopf. Das zeigen die Jobangebote: Im Jahresschnitt 2018 entfiel ein Drittel aller sofort verfügbaren Jobs beim AMS auf dieses Qualifikationsniveau, zu einem Gutteil in der Baubranche. (Luise Ungerboeck, 1.4.2019)