Der Sultan feiert, muss den Gürtel aber enger schnallen. Statt Geschenken soll nun der Islam die Bürger Bruneis ruhigstellen.

Foto: APA / AFP / Roslan Rahman

Bandar Seri Begawan – Unter jenen Staaten, die keiner kennt, ist Brunei vermutlich der reichste: Als fünftwohlhabendste Nation der Welt führt des Finanzmagazin "Forbes" den 430.000-Einwohner-Staat am nordöstlichen Zipfel der Insel Borneo in Südostasien, die Uno reiht ihn im Human Development Index auf Rang 39. Nur Singapur ist in der Region reicher als das kleine Öl-Sultanat. In den Nachrichten war der zurückgezogene Staat bisher selten, Berichte über seinen eigenen luxuriösen Fuhrpark, den 1.788 Räume umfassenden Palast und vor allem über Finanzeskapaden in der Familie versuchte Sultan Hassanal Bolkiah, der seit 1967 absolutistisch regiert, zu stoppen. Meist mit Erfolg.

Zuletzt kam das Land im Jahr 2014 vermehrt in den Schlagzeilen vor, weil sich eine Reihe Prominenter für einen Boykott der Hotelkette Dorchester Collection aussprach, die dem Sultan gehört. Nun ist es zurück in den Schlagzeilen – aus dem gleichen Grund. Wie im Amtsblatt versteckt bekanntgegeben worden ist, will der Monarch nun wirklich das durchsetzen, wofür er schon 2014 kritisiert worden ist: einen islamisch-fundamentalistischen Strafenkatalog, der unter anderem Steinigungen für Homosexuelle und Ehebrecher vorsieht und Zwangsamputationen für Diebe. Der internationale Aufschrei ist erneut groß, die Hollywoodprominenz macht gegen das Vorhaben mobil. Und viele aus dem Jetset stellen die Frage: Wie konnte das passieren? Denn immerhin war der Sultan vor nicht allzu langer Zeit noch einer von ihnen.

Gerngesehen im Casino

Mehr als tausend Luxusautos, zahlreiche Flugzeuge, mehrere Ehen und Spaß am Glücksspiel in Londoner Casinos: Dafür war Sultan Hassanal, damals angeblich reichster Mann der Welt, noch in den 1980er-Jahren bekannt. Und vor allem seine Familie war das auch noch bis vor kurzem. Erst 2010 endete ein Prozess, den Hassanal gegen seinen Bruder Jefri geführt hatte, weil dieser in den 1990er-Jahren als Finanzminister die Summe von 20 Milliarden US-Dollar aus der Staatskasse in eigene und auch in fremde Taschen gewirtschaftet hatte. Dabei wurde auch Näheres über dessen Lebenswandel bekannt: Unter anderem besaß er damals Bilder bekannter Maler, erotische Skulpturen, die ihn selbst mit Liebhaberinnen abbildeten, und eine Luxusjacht namens Tits.

Wie also kommt man von dort zu den neuen drakonischen Gesetzen? Zum einen durch eine kräftige Prise Doppelmoral. Zwar galt bisher das britische Zivilrecht als Gesetzesgrundlage des erst seit 1984 unabhängigen Staates, doch schon bisher hält das Land das hoch, was es als seine muslimischen Traditionen empfindet: strenge öffentliche Moral, Alkoholverbot und seit einigen Jahren auch Verbot öffentlicher Feiern des christlichen Weihnachtsfests und des chinesischen Neujahrs. Dass auch Elemente des Strafrechts an das angepasst werden sollen, was das Sultanat als islamische Verpflichtung ansieht, gab der Sultan erstmals 2014 bekannt: "Wir tun das nicht zum Spaß", sagte er damals, als er die dreistufige Einführungsphase vorstellte, "sondern um Allahs Befehle aus dem Koran zu befolgen." Dann verzögerte er die Einführung nach den Protesten doch.

Peitschenstrafe statt Zuckerbroten

Aber eben nur bis jetzt. Ab Mittwoch soll die dritte Ausbaustufe – das ist jene, in der auch die Steinigungen vorgesehen sind – in Kraft treten. Dass das so ist, sagen Kenner des Staates, hat auch mit der Wirtschaftslage zu tun. Denn Brunei, das seine Bürger bisher mit Gratisgesundheitsvorsorge, billiger Bildung, Steuerfreiheit und anderen milden Gaben für die Loyalität zum absolutistischen Sultan entlohnt hat, geht das Öl aus. In spätestens 20 Jahren soll es so weit sein. Dann wird sich der Staat, in dem bisher Armenspenden illegal sind, weil sie die Versorgung durch den Sultan infrage stellen würden, ein neues Modell zur Kontrolle seiner Bürger überlegen.

Dafür, dass es sich dabei um eine strikt interpretierte Form des Islam handeln soll, haben, so zitieren Medien aus Diplomatenkreisen, fundamentalistische Prediger beim Sultan Sorge getragen. Zum einen soll Hassanal seit seiner Teilnahme am Hajj Ende der 1980er-Jahre frommer geworden sein. Zum anderen sieht er im Islam auch den Grund für seine Heilung von der Spielsucht. Vor allem aber, so sagt er selbst, sieht er in der Religion, so sie streng ausgelegt werde, ein "Bollwerk gegen die Globalisierung". So und nicht anders sollen im Sultanat jene Traditionen bewahrt werden, die seit dem 16. Jahrhundert die Herrschaft seiner Familie stabilisieren.

Gift für Zukunftspläne

Offen ist freilich, wie Gesetzestext und Auslegung in der Realität zusammenspielen werden: Schon bisher gilt für homosexuelle Akte in Brunei eine hohe Haftstrafe – ausgesprochen wurde sie selten. Auch die Todesstrafe, die für andere Formen der Verbrechen eigentlich in den Gesetzbüchern steht, wurde seit Jahrzehnten nicht vollzogen. Und zum Weihnachtsfeier-Bann heißt es in Berichten der US-Botschaft an das Außenministerium in den späten 2000er-Jahren, dass in solchen Fragen "stille Diplomatie" mehr Früchte trage als laute Proteste. Doch auch wenn die Strafe nicht vollzogen werden sollte: Allein dass es sie gibt, sagen nicht nur Menschenrechtler, sei verheerend.

"Verheerend" – das gilt übrigens nicht nur für die Menschenrechte. Auch die hochtrabenden Pläne des Landes, die Wirtschaft vom Öl zu anderen Einnahmequellen hin zu entwickeln, stehen nun wieder infrage. Internationale Firmen sollen wegen des zunehmenden Fundamentalismus bereits Projekte infrage stellen, der Boykottaufruf für Firmen, an denen Brunei beteiligt ist, tut ein Übriges. Und schließlich ist der öffentliche Aufruhr auch Gift für die schon bisher nicht von Erfolg gekrönten Pläne des Landes, zu einer beliebten Tourismusdestination zu werden. (Manuel Escher, 1.4.2019)