Auch wenn er das Tischtennismatch gegen einen Journalisten verlor: Medienwirksame Auftritte beherrscht Wladimir Selenski gut.

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Eine Niederlage musste Wladimir Selenski am Sonntag doch einstecken: Im Pingpongduell mit einem ukrainischen Journalisten zog der Komödiant und Präsidentschaftsbewerber mit zehn zu zwölf den Kürzeren. Ansonsten herrschte Feierstimmung im Team des politischen Quereinsteigers. Was die Nachbefragung in den Wahlbüros schon andeutete, wurde durch die Hochrechnungen im Laufe des Abends immer mehr zur Gewissheit: Selenski hat die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine mit deutlichem Abstand gewonnen.

Über 30 Prozent der Wähler stimmten demnach für den 41-Jährigen, der erst vor drei Monaten überhaupt seine Kandidatur bekanntgegeben hatte und im Gegensatz zur Konkurrenz weder mit Infoständen noch mit Kundgebungen auf Wahlkampftour ging. Seine Kampagne führte er über soziale Netzwerke und Auftritte in seinen Shows, die er für Politsatire und Angriffe auf politische Gegner nutzte.

In der Stichwahl tritt Selenski voraussichtlich gegen Amtsinhaber Petro Poroschenko an, der mit einem fulminanten Schlussspurt im Wahlkampf doch noch an der lange Zeit in Umfragen führenden Ex-Premierministerin Julia Timoschenko vorbeizog. Nach Auszählung von rund 80 Prozent der Stimmen kommt Poroschenko ziemlich genau auf 16 Prozent, während Timoschenko 13,25 Prozent erzielt. Die einstige Frontfrau der "orangen Revolution" sprach von manipulierten Wahlen. Die in ihrem Stab parallel durchgeführte Zählung habe ein ganz anderes Kräfteverhältnis ergeben, wonach sie nach Selenski als zweitstärkste Kraft in die Stichwahl einziehen würde.

Timoschenkos Partei "Vaterland" wird die Ergebnisse der Wahl nach derzeitigem Stand anfechten. Die Erfolgsaussichten einer Klage sind allerdings gering. Die meisten Wahlbeobachter sprachen von nur geringfügigen Verstößen bei der Auszählung.

Wie sehr Timoschenko tatsächlich das Präsidentenamt begehrt, zu dem sie heuer ihren dritten Anlauf nahm, ist zudem umstritten. Experten bemängelten ihren gerade in den letzten Wochen sehr passiven Wahlkampf.

Poroschenko gegen den Trend

Hinter den Kulissen jedenfalls sollen Berater von Timoschenko bereits mit Selenskis Team über die Bedingungen einer Unterstützung des Schauspielers im zweiten Wahlgang durch Timoschenko verhandeln. Berichten zufolge hofft die 58-Jährige, erneut als Premierministerin eingesetzt zu werden. Ein Wahlbündnis zwischen Selenski und Timoschenko würde die Chancen Poroschenkos auf eine Wiederwahl extrem senken.

Dabei wird es für den Amtsinhaber ohnehin enorm schwer: "Die Zahl derjenigen, die aus Jux wählen wollten, hat sich damit erschöpft. Nun kommt es zum Kampf derjenigen, die nicht aus Jux wählen, und da hat Poroschenko wohl mehr Chancen als Selenski", gab sich der Vertreter des Poroschenko-Wahlstabs, Oleg Medwedew, optimistisch. Doch dieser Optimismus ist trügerisch. Denn das Ergebnis zeigt vor allem die Unzufriedenheit der Ukrainer mit der derzeitigen Obrigkeit. Und diese Unzufriedenheit macht sich in erster Linie an Poroschenko selbst fest, einem Oligarchen, der entgegen seinen Versprechen sein Businessimperium während der Präsidentschaft nicht aufgegeben hat.

Poroschenkos Umfragewerte im Keller

Umfragen zufolge kommt Poroschenko auf das größte Antirating aller Kandidaten. Das heißt, auf die Frage, wen sie auf keinen Fall wählen würden, antworteten die meisten Ukrainer: Poroschenko. Dies dürfte fatal für den Amtsinhaber sein. Es ist ihm zwar gelungen, mit einem sehr polarisierenden Wahlkampf in der ersten Runde seine Anhänger zu mobilisieren. Gleichzeitig jedoch wird in einer Stichwahl die große Antipathie, die ihm von Teilen der Wählerschaft entgegenschlägt, dazu führen, dass diese ihr Kreuz bei Selenski machen.

Dieser gilt den meisten Ukrainern zwar als unerfahren, doch zugleich auch als unbefleckt von den täglichen Skandalen des korrupten Politsumpfs in Kiew. Zudem hat er sich in Fragen, die fundamentale Entscheidungen erfordern – Beispiel Nato-Beitritt -, bedeckt gehalten, sodass er keine große Angriffsfläche bietet.

Sollte Wladimir Selenski bis zur Stichwahl in drei Wochen kein grober Fehler unterlaufen, dann wird der Schauspieler mit großer Sicherheit zum neuen Präsidenten der Ukraine gewählt werden. Ein Komiker könne das bestimmt nicht schlechter als ein Schokofabrikant, kommentierte er selbst diese Möglichkeit. (André Ballin, 1.4.2019)