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Eine multikulturelle Nachbarschaft ist für viele Menschen in Österreich ein No-Go.

Foto: dpa / Alex Vogel

Wien – Mit Antisemitismus scheint das Thema nur am Rande zu tun zu haben. Dennoch stand die Frage nach den Vorurteilen gegen 13 national, ethnisch oder sonst als Minderheit geltende und in Österreich lebende Gruppen im Fragebogen der vieldiskutierten, vor zwei Wochen vorgestellten Antisemitismusstudie gleich am Anfang.

"Wenn Sie folgende Nachbarn hätten – würde Sie das sehr, eher schon, eher nicht oder gar nicht stören?", wollten die Studienmacher wissen. Zur Auswahl standen den 2128 für die österreichische Bevölkerung repräsentativ ausgewählten Personen 13 national, ethnisch oder sonst als Minderheiten definierte Gruppen (siehe Grafik).

"Kontextualisierung" des Antisemitismus

Sinn der Übung sei die "Kontextualisierung" des Antisemitismus gewesen, sagt Studienleiterin Eva Zeglovits: "Wir gingen von der Idee aus, dass gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit normalerweise austauschbar ist." Also dass Menschen mit starken Vorurteilen gegen Jüdinnen und Juden auch große Ressentiments gegen andere Minderheiten hegen.

Nun mag das im Einzelfall durchaus stimmen – im Durchschnitt aller Befragten fiel diese Annahme jedoch durch. Vielmehr entpuppte sich das Ausmaß, in dem die Befragten nachbarliche Nähe ablehnten, je nach Minderheit als äußerst unterschiedlich – und bei den unbeliebtesten Gruppen ergaben sich sehr hohe Werte.

"Das ist schon extrem"

"Das ist schon extrem", sagt Zeglovits angesichts von 41 Prozent Zurückweisung von Afghanen, 37 Prozent Absage an Roma und Sinti sowie einer 35-prozentigen Abfuhr für Araber. Das schlechte Image von Roma und Sinti, die wie Juden Opfer der Nazis waren, ist für Zeglovits "ein besonderes Problem".

Doch auch Schwarzafrikaner sind mit 31 Prozent als Nachbarn extrem unbeliebt. Im Vergleich dazu nimmt sich die Ablehnung jüdischer Nachbarn mit neun Prozent gering aus.

Emotionalisierte Gruppenbezeichnungen

Zwar, so Zeglovits, seien hohe Zustimmungswerte zu Vorurteilen bei derlei Fragestellungen nicht neu – denn immerhin frage man hier emotionalisierte Gruppenbezeichnungen ab. Vergleichbare Studien, etwa im Zuge der vom Europaparlament beauftragten Eurobarometer-Meinungsumfragen, zeigten dies – und zwar über Österreich hinaus.

Laut anderen Expertisen ist das Ausmaß vorurteilsbetonter Ressentiments in Österreich hingegen beträchtlich. So meinten etwa laut der jährlich publizierten Integrationsfondsstatistik 2018 41,6 Prozent pauschal, dass das Zusammenleben mit Zuwanderern "schlechter geworden" sei. Im Jahr davor waren sogar 49,3 Prozent dieser Ansicht gewesen.

Wohnungssuche als Problem

Die Ergebnisse von Zeglovits' Vorurteilsbefragung lieferten Hinweise auf akute Integrationsprobleme für die als Nachbarn besonders unbeliebten Gruppen, meint wiederum der Menschenrechtsexperte und ehemalige Obmann des Antirassismusvereins Zara, Dieter Schindlauer. "Das bedeutet, dass für Afghanen, Roma oder Araber, die eine Wohnung suchen, ein beträchtlicher Teil aller Angebote von vornherein ausfällt."

Darüber hinaus drücke eine derart massive Ablehnung "das Problem der Fremdheit" aus. Aufgrund der negativen Berichterstattung glaubten viele, alles über Afghanen zu wissen. Tatsächlich in Kontakt mit ihnen seien nur wenige. (Irene Brickner, 2.4.2019)