Alle Parameter seines Organismus kennen, um danach ein maßgeschneidertes Gesundheitsprogramm durchzuziehen: So sehen Biohacker die Welt.

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Nur mit einer Unterhose bekleidet bei Minusgraden die Skipiste hinunterwedeln: Das hat der 34-jährige Deutsche Max Gotzler vor zwei Jahren beim Skiurlaub in den Tiroler Bergen gemacht. Aber nicht, weil er eine Wette verloren hatte. Sondern zur Selbstoptimierung. Denn Max Gotzler ist Biohacker. Biohacking kommt aus den USA. Dessen Anhänger versuchen den eigenen Körper wie ein System zu begreifen und zu optimieren. Dabei schrecken sie auch vor Experimenten an sich selbst nicht zurück.

Biohacking hat viele Facetten: Es gibt Vertreter der Bewegung, die sich Mikrochips unter die Haut implantieren, damit sie etwa ohne Schlüssel in ihre Wohnung kommen. Andere versuchen in ihrer Garage ein Mittel gegen Herpes zu finden – und probieren die Wirkstoffe am eigenen Körper aus.

Immer wieder kommt es in den USA deshalb zu Todesfällen. Sogar Impfgegner schwimmen im Fahrwasser des Biohackings mit und verbreiten mehr als krude Theorien. Max Gotzler, ehemaliger Leistungssportler, steht für eine gemäßigtere Variante. Er hat 2018 "Biohacking. Optimiere dich selbst" mit allerlei Tipps zu Ernährung, Bewegung und Schlaf geschrieben.

Er findet das Sammeln von Gesundheitsdaten wichtig. So sollte jeder zum Beispiel den eigenen Ruhepuls kennen. Denn ist dieser erhöht, kann das eine aufziehende Erkältung bedeuten. Mit Selbstvermessung ließen sich, davon ist Gotzler überzeugt, auch Volkskrankheiten wie etwa Diabetes Typ 2 verhindern oder zumindest hinauszögern.

Eine Sache des Lifestyle

Gotzlers praktische Tipps: Ein Glas Wasser mit Zitronensaft und etwas Salz soll in der Früh die Verdauung in Schwung bringen und die Aktivität der Nebenniere anregen. Er selbst trinkt "Bulletproof Coffee", einen Mix aus Kaffee, Wasser, Kokosöl und Butter, weil das ein Absinken des Blutzuckerspiegels verhindert und mit 300 Kilokalorien pro Tasse ein Frühstück ersetzt. Intermittierendes Fasten – also der mehrstündige Verzicht auf Nahrung – entlastet den Organismus.

Für die abendliche Computerarbeit empfiehlt Gotzler Blueblocker-Brillen, denn der Blauanteil im Kunstlicht stört die Produktion von Schlafhormonen. Schlaf ist in der Biohacking-Philosophie überhaupt wichtig. Sieben bis acht Stunden sollen es sein. Dabei gilt: kein Handy im Schlafzimmer und unbedingt das WLAN abschalten. Und im Idealfall am nächsten Morgen ohne Wecker aufwachen.

Zu viele Ideen also für eine immer weiter fortschreitende Selbstoptimierung, meinen Kritiker. "Man beschäftigt sich schon viel mit sich selbst", gibt Gotzler zu. "Aber die Menschen schauen ja auch auf ihre Aktienkurse. Nur beim eigenen Körper heißt es dann, man sei narzisstisch."

Gotzler nennt seine Optimierung übrigens "biologische Potenzialentfaltung". Grundsätzlich sei Biohacking nämlich ein "Schrei nach Freiheit". Die Menschen würden sich nicht mehr ausschließlich auf den Rat von Ärzten verlassen. Biohacking sei allerdings nur eine Ergänzung zur klassischen Medizin, keinesfalls ein Ersatz. "Wir wollen Menschen befähigen, sich selbst zu verstehen." Das Skifahren in Unterwäsche ist dabei optional. (Franziska Zoidl, CURE, 28.4.2019)