Der Kölner Stephan Pauly wird Chef des Wiener Musikvereins.

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Vor ein paar Wochen konnte es passieren, dass einem Stephan Pauly in Salzburg über den Weg läuft. Im Gespräch war die personelle Zukunft des Musikvereins für ihn kein emotionales Thema. Feuer und Flamme war der Deutsche hingegen für ein ungewöhnliches Projekt, das er als Chef der Alten Oper Frankfurt gerade zu stemmen gedachte.

Als Kontrast zum obligaten Klassikalltag würde der dortige Konzertsaal für die Ideen der Künstlerin Marina Abramović entstuhlt werden. Besucher würden nach einer Methode des Performanceweltstars mit Übungen und Musik über Tage hinweg Hör- und Selbsterfahrung sammeln.

Über den Musikmanager Pauly lässt sich aus der Salzburger Erfahrung Zweifaches schließen: Er ist diszipliniert auch in der Diskretion. Seine Verhandlungen mit dem Musikverein, dessen Chef er als Nachfolger von Thomas Angyan ab 2020 wird, hielt er gekonnt unter Verschluss. Aus dem Abramović-Projekt lässt sich zudem folgern, dass Pauly gerne über den Tellerrand der Konvention hinausdenkt.

Nicht mit der Brechstange

Der Kölner (Jahrgang 1972), der in Bayreuth aufwuchs, hat dies bereits als Geschäftsführer und künstlerischer Leiter der Stiftung Mozarteum von 2004 bis 2012 bewiesen. Durch ausgeklügelte Programmmixturen hat er die Wiener Klassik mit der Moderne verzahnt, Zusammenhänge erhellt und das altehrwürdige Festival, die Mozartwoche, entscheidend belebt. Pauly bewies damit aber auch, dass er nicht mit der Brechstange reformiert. Er setzt eher auf evolutionäre Detailarbeit.

Vielseitige Erfahrungen mögen zu dieser behutsamen Grundhaltung beigetragen haben. Pauly studierte nicht nur Philosophie, Theologie und Opernregie. Er war nicht nur Assistent des Regisseurs August Everding. Er heuerte auch beim Unternehmensberater McKinsey an und versteht somit wohl auch die finanziellen Aspekte der Programmgestaltung zu kontrollieren.

Spagat vonnöten

All dies wird für das Traditionshaus, den Musikverein, eines der global renommiertesten Konzerthäuser, auch nötig sein. Ist dessen Angebot zwar überaus opulent, muss es doch finanziell erst gestemmt werden. Schon das Halten des momentanen Orchesterniveaus wäre deshalb eine Leistung. Andererseits geht es auch darum, ein Haus als Ort der Überraschungen und des Zeitgenössischen zu positionieren. Pauly wird also den Spagat zwischen Tradition und Moderne auf höchstem Niveau vollführen müssen. (Ljubiša Tošić, 2.4.2019)