Alle reden vom Kopftuchverbot. Für Kindergartenkinder, für Volks-schulmädchen, bald für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Jeder hat eine Meinung dazu. Aber was sagen eigentlich die Betroffenen? Vor kurzem haben die in der Islamischen Glaubensgemeinschaft organisierten muslimischen Frauen ein Manifest erarbeitet und veröffentlicht.

Die wesentlichsten Thesen darin: "Unsere Köpfe sind keine Werbeflächen! Schluss mit Projektionen islamfeindlicher Tendenzen auf das Kopftuch! Was das Kopftuch für eine Frau ausdrückt, bestimmt die Trägerin selbst! Mit uns reden statt über uns!" Es gibt explizite Forderungen an die Politik, darunter: "Keine Verbotspolitik auf unseren Köpfen! 'Schutzverständnis' darf weder zu Bevormundung noch zu Entmündigung führen!" Und das sind die Forderungen an die (von Männern geführte) muslimische Community: "Mehr Teilhabe und Mitsprache von Frauen in der Organisation und Führung muslimischer Vereine und Institutionen! Die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie! Aktives Eintreten gegen Benachteiligung von Frauen und bei Gewalt gegen Frauen!"

Lebhafte Diskussionen

Der Saal ist gesteckt voll, als das Manifest präsentiert wird. Ältere, aber vor allem junge Frauen in den Sesselreihen. Manche – eher die Mehrheit – tragen Kopftücher, manche nicht. Unterdrückt und unterwürfig wirkt keine. Viele sind Schülerinnen, Studentinnen, Lehrerinnen, Moscheepädagoginnen. Frage an eine Lehrerin an einer öffentlichen Schule: Haben Sie Schwierigkeiten wegen ihres Kopftuchs? Antwort (in perfektem Deutsch): Die Eltern der Kinder sind einverstanden, die Direktorin auch, aber sie sagt: Reden wir lieber nicht zu viel darüber, sonst regt sich womöglich jemand auf. Die Diskussion ist lebhaft und angeregt. Auch der neue, junge Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft ist da. Er sagt den selbstbewussten Frauen seine volle Unterstützung zu.

Ist diese Versammlung typisch für die Muslime in Österreich? Oder sind diese Frauen – gebildet, voll integriert, eindeutig der Demokratie und dem Rechtsstaat verpflichtet – eine Minderheit innerhalb der Community? Gibt es das: gläubige, praktizierende Musliminnen, die dennoch sogenannte westliche Werte respektieren und teilen? Mag sein, dass es viele andere gibt, die nicht so selbstverständlich und leidenschaftlich für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen eintreten. Mag sein, dass es sich bei diesen Frauen um eine Avantgarde handelt, deren Einfluss in der Migrantenszene gleichwohl ständig im Wachsen ist.

Aber sie sind im öffentlichen Diskurs kaum wahrnehmbar. Nur wenige Medien berichteten über das Manifest "Musliminnen am Wort". Umso mehr hören und lesen wir über den schädlichen politischen Islam, Hassprediger, unterjochte Frauen, gewalttätige muslimische Ehemänner. Wenn wir in Österreich wirklich die Integration der 700.000 hier lebenden Muslime wollen, dann sollten die überzeugten Demokraten unter diesen, die dennoch an ihrer Religion und ihren kulturellen Wurzeln festhalten, unsere wichtigsten Ansprechpartner sein. Die Musliminnen haben sich zu Wort gemeldet. Wir sollten ihnen aufmerksam zuhören. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 3.4.2019)