Länger einkaufen, das wollen die Konsumenten nach Einschätzung von Rewe.

Foto: Rewe/Mario Pampel

Wien – Gut 16 Jahre ist es her, dass in Österreichs Öffnungszeiten etwas Bewegung kam. Händler bedungen sich damals sechs zusätzliche Stunden aus, an denen sie montags bis samstags offen halten dürfen. Rewe sind die bestehenden 72 Stunden nun nicht mehr genug. Marcel Haraszti, Vorstand der Lebensmittelgruppe, beklagt künstliche Regulierung und Protektion, die jeder Marktlogik entbehrten. Er will an 76 Stunden die Woche aufsperren dürfen: Montag und Freitag von sieben bis 20 Uhr und am Samstag bis 18 Uhr.

Mehr Arbeitsplätze

"Auch Amazon sperrt nicht um acht Uhr abends zu", sagt Haraszti und macht Aussicht auf 500 zusätzliche Arbeitsplätze, die allein bei der Rewe durch die täglich 20 Minuten längeren Filialöffnungen geschaffen würden. Österreichs bisherige Regelung nennt er eine der antiquiertesten Europas. "Wir sind keine Insel der Seligen." Auch hier müsse sich der Handel an neue Lebensformen anpassen.

Auf Schützenhilfe aus der Branche kann Rewe nicht bauen. Spar sieht keinerlei Bedarf an längeren Einkaufszeiten. "Wir sind mit den bestehenden zufrieden", heißt es aus dem Unternehmen. Und man habe auch mit den unterschiedlichen Randöffnungszeiten leben gelernt. Zum Verständnis: Wer täglich bis 19.30 Uhr offenhalten will, muss morgens mitunter zu unkonventionellen Zeiten aufsperren, um den Gesamtrahmen nicht zu sprengen – um 7.10 Uhr etwa oder um 8.40 Uhr. Die Folge ist ein Fleckerlteppich, dem Rewe gern eine einheitlichere Form geben würde.

Zweifel an zusätzlichen Jobs

Dabei spielt aber auch die Wirtschaftskammer nicht mit. Die bestehenden Zeiten würden ja schon bisher nicht ausgenutzt, sagt Handelsobmann Peter Buchmüller. Er verweist auf die große Mehrheit an Unternehmen, die sich gegen die Ausdehnung des Rahmens wehrt und warnt davor, die Arbeitsbedingungen im Handel unattraktiver zu machen. An den versprochenen neuen Jobs hat Buchmüller so seine Zweifel. Sie würden dafür anderenorts verschwinden, meint er mit Blick auf die Ausdünnung der Ortszentren: Längeres Einkaufen spiele sich in erster Linie an der Peripherie ab.

Eine scharfe Absage erteilt dem Ansinnen Handelsgewerkschafter Karl Dürtscher. Aus seiner Sicht zahle der Konsument dafür die Zeche. Denn eine längere Verfügbarkeit bei konstanten Umsätzen führe zu höheren Kosten, was wiederum die Preise nach oben treibe. "Längere Öffnungszeiten sind für den Handel kein Allheilmittel im Kampf gegen Verdrängung."

Offener zeigt sich dafür Handelsverbands-Chef Rainer Will, der wie Rewe an große Onlinekonkurrenten erinnert. Um kleine Betrieb dadurch finanziell aber nicht in die Bredouille zu bringen, gehöre parallel dazu das "gestrige Zuschlagssystem" reformiert.

Rewe, die in Österreich mit den Handelslinien Billa, Merkur, Penny, Adeg und Bipa vertreten ist, erzielte hierzulande im Vorjahr mit rund 44.100 Mitarbeitern 8,7 Milliarden Euro Umsatz. Nach einem Plus von 1,5 Prozent und mit 34,1 Prozent Marktanteil ist die Gruppe etwas größer als der Erzrivale Spar, wächst jedoch langsamer.

Interne Kannibalisierung

Haraszti räumt ein, dass der Blick in der Vergangenheit eher dem internen Wettbewerb zwischen Billa und Merkur gegolten habe, als den Märkten außerhalb. "Es gab Kannibalisierung." Konzernkenner beschreiben die Rivalität zwischen Billa und Merkur als geradezu extrem: In Zeiten der wachsenden Märkte sei das gut gegangen, nun, wo der Lebensmittelhandel gesättigt sei, sei dies fatal. Mehrere Systeme parallel zu fahren, sei schlicht zu aufwendig und teuer. Auch wollten große Lieferanten einen Partner, nicht zwei.

Haraszti betont die mittlerweile enge Abstimmung der zwei Marken, etwa rund um Strategie und Aktionen. Der eigene Merkur-Onlineshop ist zugunsten des Billa-Portals bereits eingestellt, das aktuell etwa 35 Millionen Euro online umsetzt. Die Notwendigkeit, aus zwei Vertriebslinien eine zu machen, sieht der Konzernchef nicht. Billa wie Merkur hätten ein starkes Profil. Billa sei Teil des Stadtbilds und Alltags, habe mit der Zeit nur ein wenig Patina angesetzt und werde nun entstaubt.

Baustelle bleibt Bipa. Nach drei harten Jahren sieht Rewe für die angeschlagene Drogeriemarktkette Licht am Ende des Tunnels. Gewinne spielt es aber vorerst keine. In den kommenden zwei Jahren werden jeweils 180 Filialen umgebaut, sagt Haraszti, und das wirke sich auf das Ergebnis aus. "Wir wollen Bipa nachhaltig in Ordnung bringen." (Verena Kainrath, 3.4.2019)