Auf dem Land war das kein Thema. Wenn man da den Führerschein gemacht hat, dann hat man nicht einfach nur B gemacht. Entweder g'scheit oder gar nicht, und dann ist man halt ohne Schein gefahren. Sonst war der kleine Deckel ABC, also Motorrad, Pkw und Lkw. Der große Schein war dann auch noch mit E, dem schweren Hänger. Während unumstritten war, dass man den C-Schein immer wieder einmal braucht – Feuerwehr, Baustofftransport oder Bierführen fürs Gartenfest – holten sich den E-Schein nur die, deren Väter eine Spedition hatten oder zumindest in einer arbeiteten. So war das zumindest Anfang der 1990er-Jahre im tiefen Süden der Steiermark.

Zweiradromantik

Rund um die Nullerjahre wurde den Ersten, die sich an diese Regel nicht halten wollten, die Rechnung präsentiert. Auf einmal kam das Motorradfahren wieder in Mode, und wer keinen A-Schein hatte, überlegte ihn nachzumachen. Was die meisten nie taten. Weil man geht ja als Erwachsener nicht gern in die Fahrschule. Erst der Code 111 schaffte Abhilfe. Nach sechs Fahrstunden, ohne Prüfung, darf man mit ihm eine 125er fahren. Das ist zwar nicht einmal der halbe Weg zum echten Motorradfahren, aber um sich gescheit wehzutun, reicht eine 125er auch.

Bild nicht mehr verfügbar.

125er werden nicht von jedem als Motorrad wahrgenommen. Nicht nur, weil die meisten Modelle Roller sind. Aber einen Führerschein braucht man, um sie lenken zu dürfen – und wenn es nur der Code 111 zum B-Schein ist.
Foto: Reuters

Die Töchter jener Weinbauern, die den Weinskandal gut überstanden haben, fanden zudem ein anderes Hobby: Reiten. Das begeisterte dann auch bald die Mitschülerinnen. Und bei den Kleinstadtbewohnern ohne Hof und Traktor brach langsam, aber sicher die Panik aus. Der Pferdeanhänger war zu schwer. Nicht für den Opel Ascona, aber für den B-Schein. Anfangs musste Papa den "E zu B" nachmachen – also die Fahrerlaubnis, um mit einem Pkw auch einen schweren Hänger bis zu 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse ziehen zu dürfen. Nachher musste Mama ihm das gleichtun, weil es Papa nicht im Traum einfiel, jedes verdammte Wochenende mit dem Lausmadl auf irgendein deppertes Möchtegern-Turnier zu fahren.

Segelboot- oder Pferdeanhänger – beide haben meist eine höchstzulässige Gesamtmasse von mehr als 750 Kilogramm und dürfen daher nur dann mit dem B-Schein mit einem Pkw gezogen werden, wenn die Summe der höchstzulässigen Gesamtmassen von Anhänger und Zugfahrzeug 3500 kg nicht überschreitet.
Foto: Volkswagen

Papa nutzte den "BE" lieber, um sein Segelboot spazieren zu führen. Camping fällt da natürlich auch rein, ins Thema, mit den großen Hängern. Und natürlich Motorsport. Man kann ja schlecht mit einem Rennwagen auf der Straße bis zum Rundkurs fahren. Wer alte Autos hat, der tut auch gut daran, wenn er die auf einem Anhänger spazieren führen kann. Überhaupt ist es gescheit, kam auch ich irgendwann drauf, wenn ich mit dem Pkw schwere Hänger ziehen darf.

Freundschaftsdienste

Mehrmals musste ich Vater oder Freund bitten, die eine oder andere Fuhr für mich zu machen, schlicht weil mir die Lizenz zum Loaten (Anm.: steirisch für Lenken) fehlte. Wie die meisten in der Situation haderte ich Jahre damit, wieder in eine Fahrschule zu gehen. Gründe dafür gibt es unzählige. Keine Zeit. Natürlich. Ich kann das eh, was werd ich mir das da groß erklären lassen. Auch. Und was mach ich, wenn ich bei der Prüfung durchfalle? Sind dann die anderen Deckel auch weg? Ganz tief drinnen war aber natürlich die unausgesprochene Angst, die wohl jeder hat, der haargenau weiß, dass er besser Auto fährt als der ganze Rest da draußen: Wie kann es sein, dass ich die Fahrprüfung nicht schaffe, wenn ich doch als Einziger immer alles richtig mache? Selbst wenn ich was falsch mache.

Das laxe Auslegen von Verkehrsvorschriften hält ja schnell Einzug. Versuchen Sie einmal, eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzuhalten, ohne angehupt zu werden. Oder bleiben Sie einmal vor einem Haltestreifen stehen, auch wenn Sie von dort nicht sehen können, ob es einen Querverkehr gibt. Und richtig blinken ist sowieso eine ganz eigene Kunst, die man ruhig zum Profisport machen könnte – oder als Gegenveranstaltung zu Schach. Weil viel spannender ist das Zuschauen beim Blinken halt wohl auch nicht.

Alles wird gut. Oder?

"Ich kann dich beruhigen", sagt Alexander Seger, Besitzer der Fahrschule Fürböck, "bei einer Fahrprüfung würde ich vermutlich auch nicht alles richtig machen. Und auch wenn man theoretisch den bereits bestehenden Führerschein bei der Prüfung verlieren kann, ist das praktisch quasi unmöglich." Na das beruhigt jetzt nicht vollständig. Was eher beruhigt, ist, dass der Herr Seger ein guter Freund ist. Das heißt Sonderkonditionen für mich. Natürlich was die Kurskosten von sonst bis zu 600 Euro angeht. Aber auch die Behandlung. Das heißt auf der einen Seite Kaffee und Kuchen vor der Praxis-Einheit – aber auch in der Theorie-Einheit, vor allen anderen Teilnehmern, der Hinweis: "Das brauchst dir gar nicht aufschreiben, das derfährst du sowieso nie."

In der Theorie lernt man nicht nur alles über die zulässigen Gewichte, sondern auch, wie man schwere Lasten auf einem Anhänger sichert.
Foto: Alexander Seger

Wir haben uns vorher darauf geeinigt, dass der Ton während der Ausbildung gern ein bisserl schärfer sein darf. Erstens kommuniziert der Herr Seger auf diese Art viel leichter. Zweitens versteh ich es besser. Fragen Sie mich nicht, warum ich über die Jahre ein wenig abgestumpft bin, was Tipps zum Autofahren am rechten Ohr betrifft. Ich hab keine Ahnung, wie das passieren konnte.

Fragenkatalog

Die Theorieeinheit war gar nicht so schlimm. Die paar Gesetze sind zum dermerken, die paar Zahlen kriegt auch ein Legastheniker auf die Reihe, und zum guten Glück ist der Katalog, aus dem die Führerscheinfragen für die theoretische Prüfung kommen, sehr überschaubar. Im Netz findet man sogar Übungsprogramme. Da kann auch der Blödeste so lange probieren, bis sicher ist, dass er beim Antreten alle Fragen richtig hat. Ich wollt jetzt natürlich nicht gleich bei der Theorieprüfung zeigen, dass ich genau so ein Blödester bin, und hab für den besseren Eindruck schon auch was falsch gemacht. Wirklich nur für die Optik.

Erst danach ließ mich der Herr Seger das erste Mal den schweren Hänger an den SUV koppeln und eine Runde durch Mödling drehen. Das ist gar nicht so wild, wie man sich das in den schlaflosen Nächten davor ausmalt. Ein bisserl aufpassen muss man halt. Nicht nur auf den Hänger, der jetzt nicht wirklich überraschenderweise breiter ist als das Auto. Darum hat die Zugmaschine auch zusätzliche Spiegel auf den Spiegeln. Sich an die zu gewöhnen, das ist die größere Herausforderung. Oder alle Verkehrsschilder sehen. "Gut gemacht", sagt der Seger einmal, da fahren wir gerade irgendwo in Mödling eine enge Straße entlang, "ich würde den 30er auch nicht als gültig ansehen, weil die Zusatztafel unleserlich ist." – Die Frage "Wöchane 30er-Tafel?" brachte mir keine Pluspunkte ein. Der Ton wurde kurz darauf gleich wieder schärfer. Auch kurz darauf, die Begründung auf die Frage, ob ich denn sicher sei, dass ich mit diesem Hänger unter der vor uns befindlichen Brücke durchkäme, war nichts, wofür ich Lob bekam: "Du kennst mich jetzt schon viele Jahre und wirst ja wohl nicht gerade heute so gscheit sein, mich mit deinem Hänger durch eine Unterführung zu schicken, wo dein Klumpat nicht durchpasst." Ich hielt das Tempo. Ich hatte recht.

Übungseinheit Idiotenwiese

Nächster Halt: Übungsgelände. Verkehrt einparken. Das ist keine allzu große Herausforderung, wenn man nicht gleich beim Einlegen des Retourgangs die Nerven schmeißt oder glaubt, dass man sowieso unfehlbar ist. Korrekturen sind übrigens erlaubt. Dann ein Spurwechsel mit dem Hänger. Auch verkehrt. Auch kein Kunststück. Der Seger: "Brauchst dir nix einbilden, mit einem schönen Parkmanöver auf der Wiese hat noch keiner die Fehler, die er draußen auf der Straße gemacht hat, vergessen machen können." Während ich meinen gefühlten zehnten charmanten Dämpfer bekomme, windet sich neben uns eine junge Dame mit ihrem Kleinwagen durch einen Pylonenslalom. Fleißaufgabe für meine goscherte Antwort auf das Fahrschullehrer-Statement: "Wenn sie fertig ist, fährst du den Slalom." Mir war klar, dass das mit dem Gespann nicht gehen würde. Aber wenn der Herr Fahrlehrer so gerne umgeführte Pylonen aufstellt, warum soll ich ihn davon abhalten?

Beim Rückwärtsslalom kriegt man ein Schleudertrauma, weil die Birne dauernd Spiegel-rechts, Spiegel-links huscht.

Die Aufgabe war dann doch ein bisserl zu leicht, befand auch der Herr Seger. "Und jetzt das Ganze im Retourgang." Ich hab keine Ahnung mehr, was genau ich zu ihm gesagt habe, aber es ist wohl allein unserer langen Freundschaft geschuldet, dass ich keine geschnalzt bekommen habe und mein Unterricht damit nicht für alle Ewigkeit beendet war. " Auße ausm Auto", sagte der Seger nur scharf, stieg selber ein, legte den Retourgang ein und fuhr den Slalom verkehrt. Natürlich haben wir das wie erwachsene Menschen geklärt. Wir haben nämlich sofort einen Rennen draus gemacht. Der Seger hat gewonnen. Er war flotter, und ich hatte zudem einen Torfehler. Als er mir dann aber sagte, dass das eh nicht Teil der Prüfung sei, er viel mehr wissen wollte, ob es überhaupt gehe, stand unsere Freundschaft erneut vor einer schweren Prüfung.

Ausweichen und Blinken

Ach ja, die Prüfung. Die war dann gar kein Drama. Obwohl der Seger sagt, dass ich gefahren sei, wie ein Besoffener, weil ich jedem Kanaldeckel ausgewichen sei. Und geblinkt hab ich natürlich nicht immer richtig. Was für eine Überraschung. Und in einem Kreisverkehr hätte ich etwas geschnitten. Dabei war ich da wirklich noch weit von der Ideallinie weg, aber die zählt bei der Prüfung genau Powidl. Obschon, ich muss ein gutes Gefühl gehabt haben, und Prüfer wie Lehrer dürften auch recht entspannt gewesen sein. Sonst wäre mein "Ohne Faltdach!" sicher nicht einfach so untergegangen. Das ist nämlich so. Der Strubbe, der Martin Strubreiter von der "Auto-Revue", und ich, wir haben da so ein Spiel am Rennen. Wer also einen 1er-Twingo sieht, muss sofort sagen, ob es einer mit oder ohne Stoffdach ist. Wer als Erster richtig liegt, bekommt einen Punkt. Das geht einem irgendwann so ins Blut über, dass ich nicht einmal bei der Führerschein-Prüfung darauf vergessen konnte.

Ja, die Prüfungssituation ist auch so schon seltsam genug. Ungewohnt ist das, wenn man von einem deutlich jüngeren Mann oberlehrerhaft gefragt wird, wie schwer ein Anhänger sein darf, wie breit und wie hoch. Vor allem wenn der dann dazu Notizen auf einem Zettel macht. Irgendwann im Leben, jenseits der vierzig, glaubt man, dass man der Demütigung einer Prüfung endlich entwachsen sei. Aber anscheinend holt zumindest bei mir das Leben nach, was ich auf der Uni ausgelassen habe. Am Ende war aber alles ein Kinderspiel. Keine Ahnung, warum ich das jahrelang vor mir hergeschoben habe und es einen frechen Anrufs des Herrn Segers bedurfte, um mich in die Fahrschule zu bringen. Aber jetzt hab ich den Deckel. Jetzt brauch ich nur noch einen schweren Hänger, ein Auto, mit dem ich ihn ziehen darf, und irgendwas, das schwer ist, das von A nach B muss. Zumindest Letzteres ist ein Problem, das sich nicht mehr stellen will, seit ich dafür gerüstet bin. Haben Sie leicht was, das ich führen könnte? Ein altes Auto vielleicht, das Sie mir schenken wollen? (Guido Gluschitsch, 8.4.2019)