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Will sich ab jetzt auch direkt von den Nachrichtendiensten berichten lassen: Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Laut Experten braucht es dafür kein Verfassungsgesetz.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

Wien – Die Umsetzung der geplanten Ausweitung der Berichtspflichten der Nachrichtendienste könnte laut Experten mit einfacher Mehrheit möglich sein. Es brauche wohl keine Verfassungsänderung, betonten Verfassungsexperten im Ö1-"Mittagsjournal". Aus dem Kanzleramt hieß es dazu vorerst, es werde auf die Ausgestaltung der neuen gesetzlichen Regelung ankommen. Der FPÖ war es wichtig zu betonen, es gebe in dieser Frage in der Koalition absoluten Konsens.

Der Verfassungsrechtler Walter Berka von der Universität Salzburg sagte am Donnerstag im Gespräch mit dem ORF-Radio, er hätte keine Bedenken, dieses Vorhaben einfachgesetzlich zu realisieren. So sei ja auch die Ressortverteilung selbst und die Aufgabenverteilung durch ein einfaches Gesetz – nämlich das Ministeriengesetz – geregelt. "Eine Verfassungsbestimmung ist meines Erachtens nicht geboten", sagte er.

Denn er glaube, dass es "schon die Gesamtverantwortung der Bundesregierung berührt, sicherheitspolitisch relevante Informationen zu erhalten", erklärte Berka. Daher meint er, "dass es gute Gründe für eine solche Ausgestaltung der Berichtspflicht geben" könnte.

Verschränkte Zuständigkeiten

Ähnlich sieht das Theo Öhlinger von der Universität Wien: Es gebe zwar rechtliche Schranken, diese seien aber lösbar. "Wir haben in Österreich Ministerverantwortlichkeit: Jeder Minister ist für seinen Bereich im Prinzip alleine verantwortlich – und unterliegt vor allem keinen Weisungen des Bundeskanzlers", sagte er zu Ö1.

Es gebe aber "verschränkte Zuständigkeiten zwischen mehreren Bundesministerien und auch dem Bundeskanzleramt", erklärte Öhlinger. So gebe es Bereiche, die einzelne Minister nur im Einvernehmen mit einem anderem Minister erledigen können. "Und eine ähnliche Konstruktion lässt sich sicher auch hier finden." Eine Zweidrittelmehrheit braucht es dazu seiner Meinung nach nicht: "Mit Verfassungsmehrheiten könnte man natürlich noch mehr machen, aber es gibt Lösungen mit einfacher Mehrheit."

Ministerverantwortlichkeit wahren

Auch der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk von der Sigmund-Freud-Privatuniversität sieht keine Notwendigkeit für eine Verfassungsbestimmung: "Wenn es nur darum geht, dass Informationen von den Geheimdiensten an die Regierungsspitze fließen, dann ist keine Zweidrittelmehrheit nötig." Sollte es aber um mehr gehen, etwa dass auch der Bundespräsident eingebunden wird oder Rückfragen oder Interventionsmöglichkeiten in Form von Aufträgen geschaffen werden, "dann braucht man stärkere rechtliche Instrumente bis hin zu einer Verfassungsänderung". Heikel wäre es seiner Meinung nach auch, sollten Geheimdienste ohne Einbindung des jeweiligen Ministers direkt an die Regierungsspitze berichten: "Denn die Ministerverantwortlichkeiten müssen in jedem Fall gewahrt bleiben."

Das Bundeskanzleramt erklärte auf APA-Anfrage, es werde von der konkreten Ausgestaltung der Berichtspflicht abhängen, welche gesetzlichen Änderungen notwendig seien. Man werde das jetzt intern diskutieren. Bis zum Sommer soll ein Gesetzesvorschlag auf dem Tisch liegen. Die FPÖ erklärte dazu, die Reform werde im Innenministerium im Rahmen der BVT-Reform wie geplant umgesetzt.

Änderungen bei der Berichtspflicht hatten Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) allerdings bereits zu Regierungsantritt angekündigt. Seither war offenbar nichts dergleichen geschehen.

Herbeischreiben von angeblichem Unfrieden

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker betonte am Donnerstag, es gebe keinerlei Konflikte in der Koalition bei diesem Thema. "Es scheint für die Medien in diesem Land in den letzten Tagen zum guten Ton zu gehören, einen angeblichen Unfrieden in der Koalition herbeizuschreiben und dabei sämtliche Fakten außen vor zu lassen", erklärte er. Behauptungen, Kanzler Kurz würde Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) das Vertrauen entziehen und ihn entmachten, indem er sich zukünftig direkt von den Geheimdiensten berichten lässt, seien falsch.

Vielmehr solle hier "ganz klar ein von FPÖ und ÖVP erarbeiteter Punkt im Regierungsprogramm umgesetzt werden". Darin sei gemeinsam festgelegt worden, "dass Berichtspflichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, des Heeres-Nachrichtenamtes und des Abwehramtes an den Bundeskanzler und den Vizekanzler eingerichtet werden". Die Einführung einer Berichtspflicht der Geheimdienste an den Bundeskanzler, als auch an den Vizekanzler sei "logisch und nachvollziehbar", so Hafenecker. (APA, 4.4.2019)