Wien – Jeder Zehnte weltweit ist von Migräne betroffen. Ein nicht unerheblicher Teil leidet selbst- oder untertherapiert im Stillen, obwohl mittlerweile wirksame Behandlungsmethoden wie eine neue Prophylaxe-Spritze zur Verfügung stehen, sagen Experten. Zumindest seien erste Erfahrungen mit dem neuen, zielgerichteten Ansatz mit monoklonalen CGRP-Antikörpern bis dato vielversprechend. Seit einigen Monaten werden die neuen Wirkstoffe auch in Österreich verabreicht, das Feedback der Patienten sei meist positiv. Vor allem verzeichne man merklich weniger Migränetage pro Monat.

Auch wenn die typischen Symptome seit Tausenden Jahren beobachtet werden, fühlen sich viele Patienten nicht ernst genommen. "Migräne muss raus aus der psycho-somatischen Ecke" , sagt Marion Vigl, Neurologin und Schmerztherapeutin im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien. Sie spricht von einer "vergessenen Epidemie", die Dunkelziffer von Betroffenen dürfte enorm sein.

Pochende, pulsierende Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, starke Licht- und Geräuschempfindlichkeit: Migräne kann sich in vielerlei Symptomen manifestieren. Das "Gewitter im Kopf" kann auch ganz ohne Schmerzen ablaufen. Unter Medizinern gilt Migräne als "komplexe, ernst zu nehmende neurologische Erkrankung". Die Krankheit hat viele Gesichter, die Ursachen stehen nicht fest. – So unterscheidet man etwa zwischen Migräne mit und ohne Aura (typische Vorzeichen wie Seh- oder Wahrnehmungsstörungen), auch die Auslöser oder Verstärker sind meist sehr individuell. Eine genetische Disposition wird vermutet.

Lebensqualität verbessern

Für Betroffene bedeutet Migräne jedenfalls meist große Einschnitte in Sachen Lebensqualität, wie auch eine aktuelle Befragung von Migräne-Patienten in Österreich mit mindesten vier Migräne-Tagen pro Monat belegt. "Migräne ist eine Volks- und keine Zivilisationskrankheit." stellt Sonja Tesar, Vizepräsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft (ÖKSG) und Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Klinikum Klagenfurt, klar. Zielgerichtete Therapien waren bis dato rar, die Entwicklung der monoklonalen CGRP-Antikörper für die Vorbeugung, die via Injektion verabreicht werden, nennt sie einen "Meilenstein". Zumindest für einen Teil der Patienten. Das laut Hersteller Novartis chefarztpflichtige Medikament soll nicht nur die Anzahl der Migränetage reduzieren, sondern auch die Lebensqualität verbessern. Wichtig sei allerdings, dass Betroffene den Weg zum Neurologen finden.

Eine Heilung ist derzeit nicht möglich, die Lebensqualität kann aber in vielerlei Hinsicht erheblich verbessert werden. Migräne gilt bei den unter 50-Jährigen als einer der Top drei Gründe für ein Leben mit Einschränkungen. Drei von vier Befragten gaben an, unter Schlafproblemen zu leiden. Vier von fünf verbringen viel Zeit abgeschottet in Dunkelheit – 16 Stunden pro Monat im Durchschnitt. Fast allen Befragten (99 Prozent) wurden durch ihr Leiden mindestens einmal in ihren täglichen Aktivitäten beeinträchtigt. Bei mehr als der Hälfte ist das sehr häufig oder gar ständig der Fall. Für mehr als die Hälfte wirkt sie sich negativ auf das Familienleben und den Freundeskreis aus.

Frauen sind zwei- bis dreimal häufiger betroffen, besonders häufig tritt die Krankheit im Alter zwischen 30 und 39 Jahren auf. Migräneexperten empfehlen zusätzlich zur zielgerichteten medizinischen Versorgung eine ganzheitliche Betrachtung der Erkrankung inklusive Selbsthilfe-Maßnahmen wie etwa Stress- und Schlaf-Management. Ein Migräne-Tagebuch etwa kann individuelle Trigger identifizieren. (APA, red, 7.4.2019)