Christian Thielemann bleibt unerbittlich, was die personelle Zukunft der Osterfestspiele anbelangt.

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Eigentlich fühlt sich Dirigent Christian Thielemann bei den Salzburger Osterfestspielen ziemlich wohl. Im akustisch immer erst zu erobernden, heiklen Festspielhaus, das er demnächst mit Wagners Meistersingern beschallt (ab 13.4.), hat er reichlich Belege seiner pragmatischen Raffinesse geliefert. Die Herausforderungen des Werkes, dem auch subtile kontrapunktische Eigenheiten innewohnen, bereiten ihm keine Sorgen: "Ich kenne diese Akustik ja schon sehr gut. Ich bin auch durch Bayreuther Erfahrungen an komplizierte Orchestergräben gewohnt", so der Berliner, der am 1. April 60 wurde.

Gute Opernlaune

Auch, dass eine Wagner-Oper einmal Heiterkeit nach Salzburg bringt, ist Thielemann nicht unangenehm. "Ist doch wunderbar, dass es nicht immer um Weltuntergänge oder sonstige ausweglose Situationen geht." Gute Opernlaune könnte ihm allerdings auch aus einem anderen Grund willkommen sein: Was die personellen Rahmenbedingungen der Osterfestspiele anbelangt, herrscht ja eher stimmungsdämpfende Ausweglosigkeit. Seit bei einer Generalversammlung der Osterfestspiele auf Empfehlung des Aufsichtsrats der Münchner Opernintendant Nikolaus Bachler als kaufmännischen Geschäftsführung designiert wurde (ab 1. Juli 2020), gehört dicke Luft zum Programm.

Thielemann hat bekundet, mit Bachler nicht zusammenarbeiten zu wollen, und er steht nach wie vor dazu: "Ich komme mir ein bisschen vor, als hätte ich in einem Restaurant etwas Bestimmtes bestellt und würde etwas Anderes serviert bekommen. Dazu der Hinweis, ich wäre ja schließlich hungrig, also müsste ich das mir Gebrachte doch essen... Ich glaube jedenfalls, dass der Ball nicht bei mir, sondern bei den anderen liegt. Schließlich hatte man mich ja im Vorfeld um meine Meinung in der Angelegenheit gebeten."

Politik träum von Traumduo

Was Meinungen anbelangt, prallen allerdings zwei Wahrnehmungswelten aufeinander. Vonseiten der Bachler-Befürworter ist nach wie vor die Hoffnung gegeben, Thielemann und der Kulturmanager würden zum Dream Team der Festspiele verschmelzen, da der Dirigent angeblich zunächst nicht abgeneigt war. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer betont, dass er nach wie vor zu seiner optimistischen Einschätzung steht: Bei der Präsentation Bachlers äußerte er die Überzeugung, "dass die Osterfestspiele mit diesem Führungsteam ihrem Ruf als einzigartiges Festival mit außergewöhnlichen Produktionen gerecht werden", so Haslauer. Hier scheint jedoch – so nicht ein unbekannter Plan dahintersteckt – ein Hauch von Wunschdenken mitzuschwingen.

Dem STANDARD liegt ein Brief Thielemanns an Sarah Wedl-Wilson vor, in dem er von der Vorsitzenden des Aufsichtsrats eine Richtigstellung begehrt. Es geht um das "redigierte Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 8. Februar 2019."

Bitte richtigstellen

Darin sieht sich Thielemanns bezüglich seiner Einschätzung zur Zusammenarbeit mit Bachler falsch wiedergegeben. Es würde berichtet, schreibt Thielemann, "ich hätte Herrn Landeshauptmann Dr. Haslauer in einem Telefonat vom 7. November 2018 die Bestätigung gegeben, mit Herrn Nikolaus Bachler künftig bei den Osterfestspielen zusammenzuarbeiten." Diese Behauptung "ist richtigzustellen."

Er, Thielemann, habe "unmissverständlich deutlich gemacht, dass ich eine Zusammenarbeit mit Herrn Bachler ausschließe und hierfür eine ausführliche Begründung gegeben." Weiters schreibt der Dirigent: "Weder wird es daher Planungsgespräche noch sonstige Formen der Zusammenarbeit mit Herrn Bachler geben."

Finanziell gut in Form

Thielemann hofft wohl, dass die Bachler-Entscheidung zurückgenommen wird –_aus Salzburg zu weichen, gedenkt er jedenfalls nicht: "Die Sächsische Staatskapelle Dresden und ich, wir sind in Salzburg so gut angekommen, wie man es sich nur vorstellen kann. Wir sehen keinerlei Grund, an einen Wechsel zu denken. Zumal die Osterfestspiele Salzburg auch finanziell bestens dastehen." Er gestaltet auch schon weit voraus: "Wir planen natürlich für die Jahre 2022 und 2023 – womöglich auch 2024. Die Dinge müssen jetzt entschieden werden, sonst bekommen wir die Sänger nicht mehr, die wir gerne hätten." Ab 2022 wäre Nikolaus Bachler allerdings nicht nur kaufmännischer Geschäftsführer, sondern auch ein Intendant, der in die künstlerische Gesamtplanung einzubinden wäre.

Die perfekte Integration

Bachler und Thielemann, dessen Vertrag sich dieser Tage automatisch bis 2022 verlängert hat und wie bisher die Position des künstlerischen Leiters beinhaltet, werden wohl mindestens einen Hans Sachs brauchen, um die Angelegenheit zu klären. In den Meistersingern, die Jens-Daniel Herzog inszeniert, wirkt der Dichter und Schustermeister vermittelnd und ausgleichend.

"Eine Person wie Hans Sachs brauchen Sie immer: Gelassenheit und Weitsicht sind ja nicht jedermanns Sache heutzutage", scherzt Thielemann, der in dem Werk "die perfekte Integrationsoper" sieht und an Ritter Walther von Stolzing denkt: "Es kommt ein Mensch von außen in eine festgefügte Gesellschaft, der andere Regeln befolgt, als sie üblich sind. So werden die eigenen Angewohnheiten infrage gestellt – oder besser: Das Eigene wird mit dem Neuen verbunden. Zum Schluss wird der Unkonventionelle der Sieger."

Zu vermuten ist jedoch, dass Thielemann in jenem zu integrierenden Ritter nicht den unerwünschten Nikolaus Bachler sieht. (Ljubisa Tosic, 6.4. 2019)