Bratl darf schon sein, vor allem sonntags.

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Essen scheint lebensgefährlich zu sein. 2017 starben rund elf Millionen Menschen, weil sie sich zu süß, salzig und fleischlastig ernährten und zu wenig Gefallen an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Nüssen fanden. Das wollen Forscher vom Institute for Health Metrics and Evaluation (IMHE) in Seattle herausgefunden haben. Eine weitere Botschaft, der kürzlich im Fachmagazin Lancet erschienenen Studie: Im Vergleich zu falscher Ernährung ist Rauchen mit etwa acht Millionen Todesfällen deutlich weniger schädlich.

Insgesamt wurden für die Untersuchung die Essgewohnheiten in 195 Ländern erhoben. Die größten Ernährungssünder gibt es demnach in Usbekistan: Dort sterben jährlich 892 Menschen pro 100.000 Einwohner aufgrund ihrer lukullischen Vorlieben. Am bravsten essen die Israelis, Franzosen und Spanier, die nur rund 90 Todesfälle pro 100.000 Einwohner durch ungesunde Ernährung zu verzeichnen haben. Österreich liegt mit Platz 30 im besseren Mittelfeld.

Mangelhafte Studie

Ist der Konsum von Schnitzel und Schweinsbraten nun tatsächlich das neue Rauchen? Die Antwort lautet: nein. "Es ist schon fast vermessen, solche Zahlen in die Welt zu setzen. Vor allem in Ernährungsfragen ist die Zuschreibung von Todesfällen auf eine ganz bestimmte Ursache reine Kaffeesudleserei", kritisiert Walter Krämer, Wirtschafts- und Sozialstatistiker an der Technischen Universität Dortmund.

Der einfache Grund: Die Berechnungen der Studienautoren basieren weitgehend auf Beobachtungsstudien, in denen Menschen befragt werden, was sie essen. Nach ein paar Jahren wird ermittelt, wie viele erkrankt oder verstorben sind. "Aus solchen Beobachtungsstudien können keine Ernährungsempfehlungen abgeleitet werden", betont Jana Meixner vom Department für Evidenzbasierte Medizin der Donau-Uni Krems. Solche Untersuchungen stellen lediglich Zusammenhänge fest, belegen aber nicht, dass einzelne Lebensmittel tatsächlich die Ursache für Krankheiten oder Tod sind. "Eine Korrelation ist reine Spekulation. Wir wissen etwa nicht, ob die Weißbrotesser auch mehr rauchen, sich weniger bewegen oder mehr Alkohol trinken als Vollkornliebhaber", gibt Krämer zu bedenken.

Um einen Kausalschluss ziehen zu können, braucht es sogenannte randomisiert-kontrollierte Interventionsstudien. Demnach hätten die Probanden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt werden müssen. Ein Teil isst über einen längeren Zeitraum nur Weißbrot, der andere ausschließlich Vollkornprodukte. "Solche Studien sind aber in der Praxis nicht möglich", so Kramer.

Was gesund bzw. krank macht

Ein weiterer Schwachpunkt der aktuellen Studie: Die Wissenschafter konzentrierten sich in ihrer Analyse auf 15 Lebensmittelkomponenten. Zehn stuften sie als gesund ein – etwa Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse, Omega-3- und andere mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Als schädlich klassifizierten sie rotes Fleisch, Wurst, zuckerhaltige Getränke und Transfette, die beispielsweise beim Frittieren eingesetzt werden. Klingt grundsätzlich logisch, die Sache hat allerdings einen Haken. Bislang gibt es keinen Nachweis, dass der Verzehr von reichlich Obst, Gemüse oder Nüssen Krankheiten verhindert oder das Leben verlängert. Auch Omega-3-Fettsäuren haben sich nicht als die großen Gesundmacher entpuppt. Der derzeitige Forschungsstand ist, dass sie koronare Herzerkrankungen nicht verhindern können. Tritt allerdings ein Infarkt auf, scheint er weniger schwer zu sein.

Transfette sollten tatsächlich eher gemieden werden. Es gilt als ziemlich sicher, dass sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Auch zum Wurstkonsum existieren qualitativ hochwertige Daten, allerdings sind hier die gemessenen Effekte sehr klein.

Nicht eindeutig ist es beim Thema Salz: Eine salzärmere Ernährung trägt dazu bei, einen erhöhten Blutdruck etwas zu senken. Dass dadurch auch Herzinfarkte oder Schlaganfälle verhindert werden, ist möglich, aber nicht eindeutig belegt.

Keine Panik

Seriös wäre es gewesen, statt der Todesopfer durch ungesunde Ernährung die verlorenen Lebensjahre zu berechnen, wie das beim Tabakkonsum gemacht wird. So gibt es valide Daten, dass ein Raucher, der in der Pubertät mit dem Zigarettenkonsum begonnen hat und pro Tag mehr als zwei Schachteln qualmt, sein Leben im Durchschnitt um zehn Jahre verkürzt. "Solche Berechnungen sind aber nur deshalb möglich, weil Rauchen extreme Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Der Effekt von Ernährung ist so minimal, dass er kaum messbar ist", ergänzt Walter Krämer.

Das Fazit kann also nur lauten: Sollte am Sonntag Schweinsbraten auf dem Speiseplan stehen, darf er ohne schlechtes Gewissen gegessen werden. (Günther Brandstetter, 7.4.2019)