Bild nicht mehr verfügbar.

In der arktischen Tundra standen im Pliozän wegen der höheren Temperaturen noch riesige Wälder. Deshalb setzt der heute auftauende Permafrostboden besonders viel CO2 frei.
Foto: Foto: AFP Photo / Getty Images / Andrew Burton

In geologischen Maßstäben ist das Pliozän noch nicht allzu lange her. In diesem Abschnitt der Erdgeschichte vor 5,6 bis 2,3 Millionen Jahren streifte bereits der Australopithecus durch die afrikanische Steppe. Und ganz am Ende der Epoche zeigten sich auch schon die ersten Vertreter der Gattung Homo, also unsere unmittelbaren Vorfahren.

Dieser Zeitabschnitt ist aber nicht nur für Frühmenschenexperten von Interesse, sondern auch für Klimaforscher. Der Grund dafür ist ganz einfach, wie Martin Siegert vom Imperial College London erklärt: "Das Pliozän ist ein gutes Beispiel, welche Auswirkungen unsere Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten haben werden."

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Vor rund drei Millionen Jahren gab es das letzte Mal eine ähnlich hohe Konzentration von Kohlendioxid in unserer Atmosphäre wie heute, nämlich 400 ppm (Anteile pro Million). "Heute liegen wir bei ziemlich genau 411 ppm CO2, während es vor der industriellen Revolution gerade einmal 280 ppm waren. Aber vor 150 Jahren haben wir begonnen, all den Kohlenstoff, der in Kohle, Erdöl und Erdgas gebunden war, in die Atmosphäre zu blasen."

Der Vergleich mit einem Backofen

Bis sich die Folgen davon zeigen, werde es aber noch dauern, sagt Siegert und bringt einen anschaulichen Vergleich: "Dreht man den Backofen auf 200 Grad, dauert es auch eine Weile, bis diese Temperatur erreicht wird." Mit dem Weltklima sei es nicht viel anders – nur eben in ganz anderen Dimensionen.

Um aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen – insbesondere, wie lange die Erwärmung dauern wird und welche Folgen sie hat –, organisierte Siegert kürzlich eine Tagung über das Klima im Pliozän. Mehrere Experten diskutierten deshalb am Mittwoch in London, wie sich damals der CO2-Anteil in der Atmosphäre auf die Vegetation, die Gletscher und den Meeresspiegel auswirkte.

So präsentierte Jane Francis, die Leiterin des British Antarctic Survey, Hinweise darauf, dass vor mehr als drei Millionen Jahren in der Antarktis noch Bäume, womöglich sogar richtige Südbuchenwälder wuchsen – nur rund 500 Kilometer vom Südpol entfernt. Und die Sommertemperaturen nahe dem Südpol dürften damals vermutlich rund fünf Grad Celsius betragen haben – und nicht minus 15 bis minus 20 Grad wie heute.

Wälder im hohen Norden

"Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die damaligen globalen Durchschnittstemperaturen um drei bis vier Grad höher waren als heute", sagt Siegert im Gespräch mit dem STANDARD. An den Polen seien die Unterschiede aber viel größer gewesen. So dürfte es im Sommer in der Arktis um bis zu 14 Grad wärmer gewesen sein als heute, was Auswirkungen auf die Vegetation hatte: "Bis ganz in den Norden, wo es heute nur arktische Tundra gibt, standen damals riesige Wälder. Aus dem Grund geben die auftauenden Permafrostböden auch so viel Kohlendioxid und Methan in die Atmosphäre ab."

Dramatisch sind die Erkenntnisse, die Siegert und seine Kollegen über die Eismassen und den Meeresspiegel im Pliozän zusammengetragen haben: "Wir gehen davon aus, dass der Grönländische Eisschild damals völlig abgeschmolzen war. Ähnliches gilt für die Westantarktis und vermutlich auch für Teile der Ostantarktis", sagt Siegert, der selbst mehrfach auf dem weißen Kontinent forschte.

Das wieder bedeutet, dass der Meeresspiegel damals um 15 Meter höher lag als heute. Bis wir so weit sind, wird es noch einige Jahrhunderte dauern, sagt Siegert.

Eis schmilzt auch im Backofen relativ langsam. (tasch, 6.4.2019)