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Aline Uwase, Überlebende des Völkermords von 1994, in einer Gedenkstätte in Gisozi, einem Vorort von Kigali.

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Überreste der Falcon-50-Maschine des ehemaligen Präsidenten Juvénal Habyarimana. Der Flugzeugabschuss löste den verheerendsten Völkermord der jüngeren Geschichte aus.

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Auf dem grünen Rasen im Garten einer stattlichen Villa liegen zwei Düsentriebwerke, offensichtlich von einem Absturz zerdeppert, daneben rostet ein Teil eines Flugzeugrumpfes. Das Arrangement hat kein Künstler, sondern die Geschichte platziert: Es handelt sich um die Überreste der Falcon-50-Maschine des ehemaligen Präsidenten Juvénal Habyarimana, die heute vor 25 Jahren über Kigali, der Hauptstadt Ruandas, abgeschossen wurde. Ein zynischer Zufall wollte es, dass Trümmer der Maschine ausgerechnet im Garten der Präsidentenvilla landeten.

Der Flugzeugabschuss löste den verheerendsten Völkermord der jüngeren Geschichte aus: Innerhalb von drei Monaten wurden mindestens 800.000 Menschen, vor allem Angehörige der Tutsi und moderate Hutu, getötet. 25 Jahre später steht noch immer nicht fest, wer die Maschine des als gemäßigt geltenden Hutu-Führers vom Himmel geholt hat. Womöglich wird das Rätsel niemals gelöst. Ende 2018 hat die französische Justiz ein über zehn Jahre dauerndes Ermittlungsverfahren eingestellt, das Truppen des heutigen Präsidenten Paul Kagame für den Absturz verantwortlich zu machen suchte: Der Chef der "Ruandischen Patriotischen Front" habe den Völkermord an den Tutsi, denen auch er angehört, selbst provoziert, um im anschließenden Chaos seine einstige Heimat zurückerobern zu können.

Der "absurde" Vorwurf – so Kagame – belastete die ruandisch-französischen Beziehungen über Jahre. Kagame brach die diplomatischen Beziehungen vorübergehend ab und führte Englisch als offizielle Landessprache ein.

Macron sagt Teilnahme ab

Nur allmählich wich die Eiszeit: Botschafter wurden wieder ausgetauscht, Kagame reiste im vergangenen Jahr nach Paris, und Emmanuel Macron wurde zum Genozid-Gedenken am Sonntag in Kigali geladen. Doch Macron sagte ab.

Ganz rein ist die Luft noch lange nicht – auch wenn der erbittertste Streitpunkt, das Ermittlungsverfahren, aus dem Weg geräumt ist. Dies wurde aber erst eingestellt, nachdem Ermittler nach Ruanda gefahren waren, um Details des Abschusses zu eruieren: Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Rakete von einem Hügel aus abgefeuert worden sein musste, der gar nicht von Kagames vorrückenden Rebellen, sondern von einer Elitetruppe der Armee gehalten wurde. Eine Mehrheit von Ruanda-Experten vertrat schon immer die These, dass Habyarimanas Maschine von radikalen Hutu abgeschossen wurde, die den Präsidenten im Umgang mit den Tutsi für viel zu moderat erachteten. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Völkermord bereits wenige Stunden nach dem Abschuss begann – und zwar peinlichst gut vorbereitet und exekutiert.

Geheimdienst offenbar informiert

Das ruandisch-französische Verhältnis wird schon seit langem auch von der Tatsache getrübt, dass Habyarimanas Armee bis zum Ausbruch des Völkermords von Frankreich ausgebildet wurde. Inzwischen freigegebenen Dokumenten zufolge soll der Geheimdienst DGSE von den Vorbereitungen zum Massenmord sogar informiert gewesen sein. Außerdem sieht sich die französische Armee dem Vorwurf ausgesetzt, mit ihrer erst am Ende des Genozids lancierten "Opération Turquoise" Schutzzonen für die Völkermörder statt für die Opfer des Genozids geschaffen zu haben.

Auch belastend auf die Beziehungen wirkt Frankreichs Weigerung, mutmaßliche Völkermörder wie Habyarimanas Witwe Agathe Kanziga, Ex-Richter Manasse Bigwenzare sowie den katholischen Priester Wenceslas Munyeshyaka an Ruanda auszuliefern. Ein Vierteljahrhundert nach dem Massenmord ist die Genocide Fugitive Tracking Unit (GFTU) in Kigali noch immer damit beschäftigt, flüchtige Völkermörder in aller Welt auszumachen. Mehr als tausend wollen die ruandischen Jäger in anderen afrikanischen Staaten, in Europa und Nordamerika bereits ausfindig gemacht haben.

Während Deutschland, Holland oder die USA schon mehrere Verdächtige zum Prozess nach Kigali geschickt haben, bleibt Paris hartnäckig bei seinem Nein. Französische Gerichte haben bisher einen Ex-Offizier und zwei ehemalige Bürgermeister des Völkermords für schuldig befunden: "viel zu wenige und viel zu schleppend", klagt GFTU-Chef Faustin Nkusi.(Johannes Dieterich, 6.4.2019)