Sie sind so stolz auf ihre tollen Autos, die Deutschen, und noch stolzer auf ihre Autoindustrie. In keinem anderen Staat der Welt haben Kfz-Hersteller so hohe Anteile im Arbeitsmarkt und in der Wertschöpfung wie in Deutschland, wo das Auto einst erfunden wurde.

Der hohe Stellenwert, den das Dreigestirn Volkswagen, Daimler und BMW in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik genießt, hat auch seine Schattenseiten. Die Politik ließ den Konzernen freie Hand, und diese nutzten das weidlich aus. Die Dieselschwindelaffäre war auch die Folge einer Haltung in den Chefetagen, die politische Anordnungen und Regulierungen nicht ganz ernst nahm. Leben und leben lassen, lautete die Devise, und wenn es einmal klemmt, hat man die Handynummer der Kanzlerin parat.

Dass dies in den USA nicht funktioniert, bekam vor allem VW schmerzhaft zu spüren. Die jüngsten Entwicklungen aber sollten auch deutschen Politikern zu denken geben. Denn wenn die Vorwürfe der EU-Kommission stimmen, haben sich die Konzernlenker untereinander abgesprochen, nicht nur um Umweltauflagen auszuhebeln, sondern auch um die Wahlmöglichkeiten für Kunden einzuschränken. Wenn kein Hersteller bessere Abgasreinigungssysteme anbietet, dann stehen auch die anderen nicht unter Druck nachzuziehen. Das wäre zwar kein typischer Kartellverstoß, der zu höheren Preisen führt, aber dennoch illegal und schädlich.

Die ökonomische Monokultur mit ihrer Klüngelmentalität könnte sich auch aus anderen Gründen rächen. Die Abgasaffäre und die Nachfrageschwäche in China haben zuletzt einen Geschäftseinbruch bei den Autobauern ausgelöst, der den deutschen Konjunkturmotor zum Stottern bringt. Der Wachstumsverfall in der größten Volkswirtschaft Europas ist dramatisch und bedroht die Stabilität der gesamten Eurozone. Auch Österreich wird die deutsche Krise noch spüren, wenn auch mit etwas Verzögerung.

Und weil sich die deutschen Autokonzerne dank ihrer Ingenieurskunst und der tollen Imagewerte zu sicher fühlten, vernachlässigten sie die Innovation, vor allem in der E-Mobilität. Die fand in Japan und den USA statt. Nun läuft in Wolfsburg, Stuttgart, München und Ingolstadt eine viele Milliarden teure Aufholjagd. Selbst wenn diese noch einmal gelingt, müsste sich Deutschland auf eine Ära mit einer geschrumpften Autoindustrie einstellen – und verstärkt in zukunftsfähigere Bereiche investieren. (Eric Frey, 5.4.2019)