Wien – Andreas Jellen steht da und blickt in die Ferne. Er nickt vor sich hin. "Also der Ausblick ist schon ein Hammer", sagt er dann. Jellen ist mit seiner ganzen Familie zum Tag der offenen Tür des Krankenhaus Nord gekommen und ist mittlerweile beim Dachgarten angelangt. Direkt darunter liegt der Therapiegarten, dahinter sieht man die S-Bahn vorbeifahren und in der Ferne die Skyline von Uno-City, Donauturm, DC-Tower und Co. und auf der anderen Seite Kahlen- und Leopoldsberg.

Besucher Andreas Jellen und seine Kinder am Dachgarten.
Foto: christian fischer

Wie schwer Skandale wiegen

Warum er da ist? "Ich bin kein Anrainer, mich hat es einfach interessiert, weil ich selber im AKH arbeite. Und meine Frau ist hier im administrativen Bereich tätig." Als Patient werde er nicht herkommen, aber man schaue sich natürlich an, was die Konkurrenz so macht. "Natürlich habe ich die Skandale um den Bau mitbekommen. Aber das ist das eine. Wie man dann behandelt wird und wie die Ausstattung hier tatsächlich ist, das ist das Andere. Und die Zimmer hier sind beeindruckend", sagt Jellen auf Verspätungen und Mehrkosten beim Projekt angesprochen.

Aktuell wird mit Kosten von 1,4 Milliarden gerechnet, eine erste Kostenschätzung lag vor über zehn Jahren bei 825 Millionen Euro. Ein Untersuchungsausschuss klärt aktuell noch die politische Verantwortung für diese Probleme.

Von der Baustelle ins Einzelzimmer

Die von Jellen angesprochenen Zimmer können zwei Stockwerke über den Dachgärten auf Ebene fünf besichtigt werden. Der Andrang ist enorm – 22.000 Besucher werden es laut KAV am Ende des Tages gewesen sein – und deswegen werden die Besucher in Gruppen abgefertigt. "Gruppe Zehn, bitte mir folgen", ruft Clemens Steinecker. Seit 2012 betreute er die Baustelle mit, hatte die technische Oberleitung inne. Nun führt er durch den fertigen Bau. "Es sind sehr viele Leute gekommen, aber damit haben wir gerechnet", sagt er beim Gang durch die Station Innere Medizin.

Ein Einzelzimmer des Spitals.
Foto: fischer

Am häufigsten sei er heute nach der Zimmeraufteilung gefragt worden. Im Spital Nord gibt es ausschließlich Ein- und Zweibettzimmer, insgesamt gibt es 800 Betten. "Was hat es mit diesen Kästen auf sich?", fragt eine ältere Dame. Steinecker erklärt, dass sie mit einer elektronischen Karte, die jeder Patient bekommt, entsperrt werden und ganz einfach mitwandern können. "Wenn also jemand von der Intensivstation hierher verlegt wird, dann kommt der Kasten ganz einfach mit. Kein lästiges Zusammenpacken mehr."

Eröffnung mit lauten Pfiffen

Tatsächlich ist der erste Eindruck vieler Besucher ähnlich wie jener von Jellen. "Das kann schon was", sagt eine Schwangere zu ihrer Begleitung, während sie durch das Geburtenzimmer geht. Dabei startete der Tag der offenen Tür alles andere als optimal: Mitarbeiter des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) protestieren vor der Bühne, wo eigentlich Politiker und KAV-Führungskräfte feierlich den Besuchertag eröffnen wollten. Ausgestattet mit hellgrünen OP-Hauben waren die circa hundert Demonstranten nicht zu übersehen, aber vor allem ihre Lautstärke ließ das Pflegepersonal auffallen. Wer nicht gerade in der Nähe eines Lautsprechers stand, konnte Bürgermeister Michael Ludwig und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) nur schlecht hören.

Demo zur Eröffnung.
Foto: fischer

Unzufriedene KAV-Mitarbeiter

Der Hintergrund: Das neue Besoldungsschema für die städtischen Mitarbeiter beim KAV sorgt für breiten Unmut. Das neue System sieht höhere Einstiegsgehälter bei einer gleichzeitig flacheren Lohnkurven vor. Das Modell gilt allerdings nur für neu eingestiegene Mitarbeiter. "Das ist unfair", sagt eine Teilnehmerin der Demo. "Die sind zwei Monate dabei und verdienen mehr als ich mit 15 Jahren Erfahrung."

Die Pflegerin hält ein Schild in der Hand, darauf steht "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" geschrieben. Mit der Stadt und der Gewerkschaft werde zwar aktuell verhandelt, "ich bin da aber leider skeptisch", sagt die Pflegerin, dreht sich Richtung Bühne und pfeift lautstark. Leise blieb es nur bei der Segnung durch Kardinal Christoph Schönborn, der – wie auch die Politiker – Probleme beim Bau erwähnte. "Aber die Stadt hat ihre Lektionen gelernt und nun ist das Haus fertig", sagte etwa Stadtrat Hacker.

Bürgermeister Michael Ludwig (links) und Stadtrat Peter Hacker schritten als erste durch den Eingang.
Foto: christian fischer

Viele KAV-Bedienstete führen am Besuchertag natürlich auch durch das Spital. Sie sind leicht an ihren giftgrünen Shirts zu erkennen. In der "Gesundheitsstraße" erklären sie Besuchern wie eine Herzmassage vorgenommen wird, einige Meter weiter geben Therapeuten Infos über ergonomische Tastaturen und etwas weiter werden Kinder gerade geschminkt.

Versorgung für das nördliche Wien

Mit neuartigen Konzepten, wie der Trennung von Notfällen und Terminen auf den Fachambulanzen, werde es in Zukunft zu kürzeren Wartezeiten auf den Ambulanzen kommen, erfahren die Besucher in der für den Tag der offenen Tür ausgeteilten Broschüre. Die Ambulanzen befinden sich ebenerdig auf Ebene 1, wie etwa auch die Tagesklinik Onkologie.

Die Tagesklinik Onkologie.
Foto: fischer

Patrizia Horak und ihre Mutter Regina sehen sich das Zimmer mit den bunten Behandlungsstühlen an und unterhalten sich darüber, dass die Privatsphäre in diesem Raum ziemlich leide. "Mir ist das zu unpersönlich, da möchte ich nicht fünf Stunden für meine Chemo sein", sagt die Tochter. Sie arbeitet selber in einer orthopädischen Tagesklinik und sei aus Interesse ins Spital gekommen. "Ganz allgemein gefällt es mir gut. Es war außerdem wirklich notwendig, dass in dieser Gegend die medizinische Versorgung ausgebaut wird."

Erste Patienten ab Juni

Das betont auch ein Ehepaar, das in unmittelbarer Nähe wohnt und lieber anonym bleiben will. Sie finden das Spital auch gelungen. "Aber die Lage ist eigentlich eine Katastrophe", sagt der Ehemann und zeigt aus dem Fenster. "Wissen Sie, was hier früher einmal war? Das ÖBB-Gelände. Und wir sind umgeben von Gleisen. Also so etwas macht man doch nicht." Seine Frau schüttelt ebenfalls den Kopf und blickt aus dem Fenster. Die beiden gehen mit gemischten Gefühlen raus.

Das Spital vom Heilgarten aus fotografiert.
Foto: fischer

Dort warten am frühen Nachmittag noch viele Menschen in einer langen Schlange darauf, selber einen Blick ins Spital zu werfen. Viele haben nicht so lange ausgeharrt und sind gleich wieder umgekehrt. Sie waren bereits um 10 Uhr vor Ort, für diese Zeit war der Start des Besuchertages angekündigt. Allerdings öffneten die Türen erst nach der 1,5-stündigen Eröffnung. Das verärgerte viele. Endgültig offen ist das Spital ab Juni, dann werden die ersten Patienten behandelt. (Lara Hagen, 6.4.2019)