Mit der internationalen Spitze kann nur Juventus Turin mithalten. Einstige Großklubs, wie der AC Mailand oder Inter Mailand sind ein Schatten ihrer selbst. In der nationalen Liga dominiert Juventus seit Jahren. Viele kleinere Klubs haben wirtschaftliche Probleme und müssen vor jedem Saisonstart um ihre Spiellizenz zittern. Enrico Bergianti, Datenjournalist bei der Medienagentur "Formicablu", sieht schwarz für die Zukunft des italienischen Fußballs, wenn sich nicht bald etwas ändert. Ein Gespräch beim Journalismusfestival in Perugia 2019.

Besonders die Vereine in der zweithöchsten Spielklasse Italiens, der Serie B, kämpfen um das wirtschaftliche Überleben. Einige von ihnen mussten in der jüngeren Vergangenheit Insolvenz anmelden. Infolgedessen wurden auch die Mannschaften aus dem Profifußball zurückgezogen und ein Neustart in der vierten Liga, der Serie D, gestartet. Davon betroffen waren auch frühere Erstligaklubs wie Bari oder Cesena. Diese Klubs haben zumeist eine große Tradition. Vor allem die Fans zeigten sich über den finanziellen Bankrott enttäuscht.

Sinnbild für die Krise des italienischen Fußballs: Als wir das Spiel zwischen AC Perugia und Benevento besuchten, sind alle Ticketschalter aufgrund technischer Probleme ausgefallen. Erst 30 Minuten nach Spielbeginn konnten wir und tausende Fans das Stadion betreten.

Foto: Michael Chudik

Der Fall Chievo Verona

Um einer Insolvenz zu entgehen, tricksen Vereine oft mit allen Mitteln. Mittel, die die legale Grenze überschreiten. Der jüngste Finanzskandal überschattete den italienischen Fußball im vergangenen Herbst. Erstligist Chievo Verona fälschte seine Bilanz durch fiktive Summen aus Spielertransfers. Dadurch erwirtschaftete der Klub laut seiner Bilanz einen Finanzüberschuss von 25 Millionen Euro.

Das Sportgericht des nationalen Verbandes FIGC forderte einen 15-Punkte-Abzug, sowie eine Sperre des Präsidenten Luca Campedelli für drei Jahre. Bestraft wurde Chievo lediglich mit einem Drei-Punkte-Abzug, einer dreimonatigen Sperre für Campedelli, sowie mit einer 200.000 Euro Geldstrafe. "Keine angemesse Strafe für ein Finanzvergehen wie dieses", zeigt sich Enrico Bergianti enttäuscht über das milde Urteil.

Skandale wie diese sind in Italien keine Seltenheit. Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft im Jahr 2006 erschütterten schwere Manipulationsdelikte das Land. Hauptfiguren waren der damalige Trainer von Juventus Turin, Luciano Moggi, sowie Schiedsrichter Massino De Santis.

Zahlen und Fakten statt Klatsch und Tratsch

Die Presse feierte den Transfer Cristiano Ronaldos als Wiedergeburt für den italienischen Fußball. Dies beunruhigt Journalisten wie Bergianti. Er sieht es auch als Aufgabe des Journalismus, dem italienischen Fuball aus der Krise zu verhelfen. "Wir sollten uns von trivialen Themen abwenden. Mich interessiert nicht wo Cristiano Ronaldo Urlaub macht. Ich möchte wissen, was hinter dem Fußball steckt", meint er.

Enrico Bergianti ist Datenjournalist bei Formicablu, einer Medienagentur, die mit der italienischen Presseagentur AGI zusammenarbeitet.
Foto: Michael Chudik

Fußball entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Milliardengeschäft. Jährlich steigen die Transfersummen, Spielergehälter, Sponsorenverträge und auch die Kosten für die Übertragungsrechte. Fußball ist ein enormer Wirtschaftsfaktor, eine Wirtschaftsmacht wenn man so will. Enrico Bergianti fordert daher mehr Berichterstattung im wirtschaftlichen Bereich: "Wir sollten mehr über die Strukturen im Fußball als Geschäftsmodell berichten und nicht nur über das Spiel". Doch wenn hohe Summen im Spiel sind, ist meist Korruption nicht weit entfernt.

"Whistleblowing ist ein gute Sache"

Investigativjournalismus spielt auch im Fußball eine wichtige Rolle. Investigativjournalisten verfügen über starke Netzwerke und betreiben intensive Recherchen. Dennoch ist es schwierig kriminelle Verstrickungen aufzudecken. Vereinzelt liefern auch Whistleblower wichtige Hinweise. Oder wie im Fall von "Football Leaks" 70 Millionen Dokumente. Der Portugiese Rui Pinto spielte die Dokumente dem Spiegel zu. Dieser brachte den wohl größten Skandal im internationalen Fußball in zwei Büchern ans Tageslicht, in denen schwere Vorwürfe gegen internationale Klubs, Funktionäre und Spieler erhoben werden, darunter auch große italienische Namen. "Whistleblowing ist eine gute Sache, wenn wahre Geschichten aufgedeckt werden", meint Enrico Bergianti.

Langer Weg für Italien

Um seine Krise bewältigen zu können, wird der italienische Fußball noch Zeit brauchen. Die Grundlage für den sportlichen Erfolg sind im Fußball meist finanzielle Mittel. Einen Großteil dieser Gelder bekommen Klubs von Partnern wie Adidas oder Nike. Formicablu hat viele Daten, die die enormen Unterschiede zur Spitze Europas darstellen.

Während Italiens unangefochtener Marktführer Juventus 51 Millionen Euro jährlich kassiert, bekommt beispielsweise der FC Barcelona 155 Millionen Euro pro Jahr. Durch diese Differenzen ist es schwer um auf europäischer Ebene erfolgreich zu sein, dies belegten die vergangenen Jahre. Italiens Fußball hat daher einen langen Weg vor sich, um wieder zu alter Stärke zurückzukehren.

Immer wieder müssen Klubs der Serie-B (hier Perugia und Benevento) um das finanzielle Überleben kämpfen.
Foto: Michael Chudik

(Rafael Gindl, Michael Chudik, 6.4.2019)