General Khalifa Haftar (hier bei einem Russlandbesuch im November 2016) hat gute Kontakte nach Moskau.

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Tripolis hat dem ersten Ansturm der Miliz namens Libysche Nationalarmee (LNA) standgehalten, doch die Härte der Gefechte nimmt dramatisch zu. Beide Seiten setzen inzwischen die Luftwaffe ein, die Opferzahlen – auch unter Zivilisten – sind deutlich gestiegen. Getroffen wurde inzwischen auch der einzige funktionierende Flughafen von Tripolis. Ausgelöst wurde die neue Krise durch General Khalifa Haftar, der seine Truppen, die bereits den Osten und einen Großteil des Südens von Libyen kontrollieren, Richtung Tripolis marschieren ließ.

Die dort sitzende sogenannte Einheitsregierung unter Fayez al-Serraj wird zwar von der Uno anerkannt, ist aber weitgehend machtlos. Libyen ist nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi in ein Chaos rivalisierender Clans abgeglitten. Haftar will sich in dieser Lage zum neuen Führer des Landes aufschwingen – und wird dabei hinter den Kulissen von Moskau unterstützt.

Der Generalstab weiß Bescheid

Im UN-Sicherheitsrat hat Russland eine Resolution verhindert, die den Angriff der LNA auf Tripolis verurteilt. Stattdessen sollten alle Seiten zu einem Ende der Kämpfe aufgerufen werden, fordert Moskau. Zugleich hielt Haftar den russischen Generalstab per Telefon genauestens über den Verlauf der Gefechte in Kenntnis.

Kremlsprecher Dmitri Peskow dementierte, dass Russland Haftar unterstütze, doch Kontakte bestehen schon seit zwei Jahren, als Haftar das erste Mal offiziell zu Gesprächen in Moskau war. Seit geraumer Zeit mehrt sich auch die Zahl russischer Militärberater in Bengasi, während Fotos zugleich immer neue moderne Waffen bei der LNA dokumentieren oder auch modernisierte sowjetische Luftabwehrsysteme.

Russland will USA vertreiben

Haftar ist für Moskau kein ideologischer Bündnisgenosse, auch wenn der General in den 1980er-Jahren die Militärakademie in der Sowjetunion absolvierte. Vielmehr geht es um rein machtpolitische Ambitionen. Die genauen Absprachen zwischen beiden Seiten sind unbekannt, doch die Zielrichtung machte die russische patriotische Nachrichtenagentur Regnum klar: "Für uns ist Libyen nicht nur das Tor zum Atlantik (zum Mittelmeer ist es Syrien), sondern auch ein günstiger Stützpunkt", argumentiert der Autor. Libyen könne als Brückenkopf für eine weitere Ausdehnung russischen Einflusses in Afrika dienen, russische Investitionen absichern und zugleich als neue Verteidigungslinie gegen Aktionen der 6. US-Flotte, die im Mittelmeer operiert, genutzt werden.

Der Sieg Haftars würde bedeuten, dass die USA ihren Einfluss im Ölstaat verlieren – für Russland eine willkommene Eindämmung. Medienberichten zufolge wurden bereits erste in Tripolis stationierte US-Einheiten (ebenso wie indische) wegen der Gefechte aus dem Land abgezogen. (André Ballin aus Moskau, 8.4.2019)