Die Bilanz der "großen nationalen Debatte", die Frankreich in den vergangenen zwei Monaten landauf, landab organisiert hat, kann sich durchaus sehen lassen: Eine halbe Million Bürger nahmen an über 10.000 Diskussionsabenden und anderen Treffen teil, um über Demokratie, Steuern oder Ökologie zu debattieren – und Auswege aus der Gelbwesten-Krise aufzuzeigen.

Die Auswertung – wahrscheinlich in gut einer Woche – obliegt Präsident Emmanuel Macron. So will es das Präsidialsystem der Fünften Republik: Der Staatschef im Élysée-Palast hat das letzte Wort. Diese präsidiale Demokratie erscheint nicht nur Außenstehenden als sonderbar. Viele "gilets jaunes" verlangten die Einführung von Bürgerreferenden, um die Mitsprache des Volkes zu verstärken.

Macron steht dieser Forderung skeptisch gegenüber. Zum Teil zu Recht: Referenden werden in Frankreich gerne als Plebiszite – etwa gegen den Staatschef – missbraucht. Auch andere Forderungen wie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer lehnt er ab.

So geschickt Macron das erste Ziel des "grand débat" – die Beruhigung der Gelbwesten-Proteste – erreicht hat, so schwer wird es ihm nun fallen, die von der Bürgerdebatte geweckten Hoffnungen zu erfüllen. Die Enttäuschung wäre gewaltig. Wenn Macron jetzt keine starken Entscheidungen trifft, droht ihm die Quittung bei den Europawahlen im Mai. Dort hat nicht er das letzte Wort, sondern das Wahlvolk. (Stefan Brändle, 9.4.2019)