Diese Grafik stellt ein Lipödem dar.

Grafik: DER STANDARD

Hier ist eine Lipohypertrophie zu sehen.

Foto: Screenshot epaper.derStandard.at

Es sei an dieser Stelle dem STANDARD gedankt, dass einem immer noch vielfach unbekannten Krankheitsbild, dem Lipödem, ein ganzseitiger Artikel gewidmet wurde. In der Tat wird das Lipödem, nicht zuletzt aufgrund ungenauer Angaben unter-, aber auch überdiagnostiziert. Umso wichtiger ist daher eine exakte Adhärenz zu anerkannten Begrifflichkeiten in der Definition des Lipödems, um eine Verwechslung oder Vermischung mit ähnlichen Befunden oder Krankheiten zu vermeiden.

So stellt die im Artikel präsentierte Grafik kein Lipödem, sondern eine Lipohypertrophie dar. Auch die Lipohypertrophie ist eine anlagebedingte disproportionale Fettansammlung im Bereich der Hüften und Beinaußenseiten bei sonst schlankem Rumpf. Sie ist unter dem Namen Reithosenfett bekannt, geht aber nie mit Ödembildungen einher und ist daher auch nicht schmerzhaft. Das Reithosenfett ist ein ästhetisches Problem, es besteht aus medizinischer Sicht aber kein Behandlungsbedarf. Ob es überhaupt Übergänge von einer Lipohypertrophie zu Lipödemen geben kann, ist äußerst umstritten und wurde nur von einem Autor in der Literatur berichtet. Beim klassischen Lipödem dominieren die Fettansammlungen an der Vorder- und Innenseiten des Oberschenkels, dem Knie und zirkulär im Knöchelbereich.

Gewichtsreduktion keineswegs kontraproduktiv

Das Ödem, also die vermehrte Flüssigkeitseinlagerung im Gewebe, ist Teil des Krankheitsbildes, wie dies ja auch die Bezeichnung Lipödem nahelegt. Ursache ist das vermehrte Anfallen von Lymphflüssigkeit, die nicht in ausreichendem Maße abtransportiert werden kann. An und für sich ist das Lymphgefäßsystem bei Lipödempatientinnen unbeeinträchtigt und reagiert in frühen Stadien sogar mit einem verstärkten Abtransport der lymphpflichtigen Last. Ob und welche strukturellen Veränderungen sich am Lymphgefäßsystem bei jahrelangen unbehandelten Verlaufsformen des Lipödems einstellen können, ist derzeit noch hypothetisch und Inhalt weiterer Forschungen. Zumindest können betroffene Patientinnen beruhigt werden, dass das Lipödem per se nicht mit einem erhöhten Infektionsrisiko behaftet ist.

Erschwert wird das Krankheitsbild des Lipödems durch die Tatsache, dass bei etwa 50 Prozent der Betroffenen zusätzlich eine oft erhebliche Adipositas besteht. Inwieweit ein kausaler Zusammenhang zwischen beiden Pathologien besteht, ist nicht geklärt. Sicher ist, dass Adipositas den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflusst und das Risiko für ein begleitendes Lymphödem steigert. Es wäre aus therapeutischer Sicht daher zu kurz gegriffen, hätte man nur das Lipödem im Auge. Eine angemessene Gewichtsreduktion und Gewichtskontrolle nehmen im therapeutischen Gesamtkonzept eine wichtige Rolle ein und sind keineswegs kontraproduktiv.

Konstellationen mit Konfliktpotential

Der charakteristische Druck- und Spontanschmerz des Lipödems ist Folge des bestehenden Ödems. Kompressions- und Entstauungstherapien können zur Minderung der subjektiven Beschwerden beitragen, adressieren aber nicht das zugrundeliegende Problem, den Fettgewebsüberschuss. Als einzige kausale Therapie hat sich die chirurgische Entfernung des Fettgewebes mittels Liposuction etabliert. Longitudinalstudien haben gezeigt, dass die Liposuction den Fettgewebsüberschuss dauerhaft reduziert, was mit einer signifikanten Verbesserung der subjektiven Beschwerden einhergeht. Sie ist wesentlicher Bestandteil der derzeit geltenden internationalen Therapierichtlinien.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein chirurgisches Eingreifen? Hier sehe ich zwei Konstellationen mit Konfliktpotenzial. Da ein fließender Übergang besteht zwischen einem normalen Konstitutionstyp mit eher geraden Beinen und gering konturierter Fessel und einem manifesten Lipödem, sollte man in dieser Situation mit OP-Empfehlungen eher zurückhaltend sein, konservative Maßnahmen anbieten und die Betroffenen in Hinblick auf eine Progression des Zustandsbildes über einen längeren Zeitraum beobachten. Besteht gleichzeitig eine Adipositas, führt letztlich kein Weg an einer generellen Gewichtsreduktion vorbei, da die Fettreduktion an den Beinen nicht das Problem der mangelnden Gewichtskontrolle und Bewegungseinschränkung zu lösen im Stande ist. Jenseits von 120 Kilogramm beziehungsweise einem BMI von >32kg/m2 sollte, entsprechend internationalen Richtlinien, die Liposuction zurückgestellt werden.

Versicherungen übernehmen Liposuction

Im Gegensatz zu unseren deutschen Nachbarn werden in Österreich die Kosten für eine Liposuction von den Versicherungen übernommen, allerdings durchaus selektiv nach eingehender Untersuchung und Empfehlung durch ein Kompetenzzentrum. Aus der Sicht der Phlebologisch-Angiologischen Ambulanz der Universitätsklinik für Dermatologie am AKH Wien kann ich, zumindest für die Krankenkassen Ostösterreichs, eine großzügige, patientenorientierte Bewilligungsstrategie bestätigen. (Kornelia Böhler, 9.4.2019)