"Ich besitze seit Jahrzehnten ein großes, schwarzes Fahrrad, mit dem ich mich bei fast jedem Wetter durch Wien bewege. Offensichtlich ist es für Diebe nicht sonderlich interessant, und sie verschonen es, obwohl es immer im Vorhof meines Hauses geparkt ist. Natürlich sperre ich es mit einem schweren Schloss ab. Ich liebe mein Fahrrad sehr. Es ist lediglich ein Fortbewegungsmittel, aber gerade in seiner Schlichtheit hat es als Objekt Charakter und Ausstrahlung.

Wenn ich es besteige, überkommt mich bereits nach den ersten Metern jedes Mal der Gedanke an das wundersame Gefühl der Freiheit und Selbstbestimmtheit, das ich als Kind beim Fahrradfahren empfand. Mein erstes Fahrrad, das mir bewusst einfällt, war rot. Ich glaube, ich war zehn, als ich es geschenkt bekam.

Bereits Jahre früher hat mir meine Großmutter das Radfahren beigebracht. Sie war in allem mein Schutzengel und eine kluge, gütige Frau. Ich kann mich sehr gut an mein anfängliches Zittern und die Angst, auf die Seite zu fallen, erinnern, während meine Großmutter im Laufschritt neben mir herlief. Ja, und irgendwann hat sie dann losgelassen.

Mit ihrem Fahrrad bewegt sich Schauspielerin Andrea Eckert bei fast jedem Wetter durch Wien. Wenn sie es eilig hat, wird schon einmal gegen die Einbahn gefahren.
Foto: Katharina Gossow

"Auf und davon"

Fahrradfahren ist für mich immer ein "Auf und davon" und kommt meinem Traum, fliegen zu können, am nächsten. Ich höre die Vögel, rieche den Asphalt, den Regen und den Wind. Ich bin "mittendrin", kann jederzeit anhalten, absteigen, mit Passanten plaudern oder im Volksgarten die Rosen bestaunen. Mein Rad wartet neben mir. An manchen Tagen geht es mir beim Fahrradfahren wie Arthur Schnitzler, der meinte: "Der Strohhalm, mit dem ich mich an die Lebensfreude klammere, ist augenblicklich das Bicycle."

Mit dem Fahrrad bewegt man sich ohne Lärm, und ohne die Umwelt zu schädigen, leicht und frei von Ort zu Ort. Ich bin keine Bikerin oder Sportfahrerin, eher eine Flaneurin auf zwei Rädern, auch wenn mich eine schöne Tour durchs Weinviertel oder die Bourgogne verlocken könnte.

Blöder Trampel

Als ich begonnen habe, mit dem Fahrrad unterwegs zu sein, war es noch so, dass man von den Wiener Fußgängern immer wieder mal als "blöder Trampel" beschimpft wurde. Es gab ja noch nicht viele Fahrradwege, und man musste manchmal auf den Gehsteig ausweichen. Mittlerweile hat sich das sehr zum Guten verändert, auch wenn mir die vielen Elektroroller und E-Bikes auf den teilweise überfüllten Radwegen zu schaffen machen.

Da sollte die Stadt etwas unternehmen, damit es nicht noch gefährlicher wird. Wenn Eile geboten ist, übertrete ich leider immer wieder die Verkehrsregeln, durchquere verbotenerweise die schönen Wiener Parks, fahre gegen Einbahnen und zuweilen auch bei Rot über die Kreuzung. Oft bin ich sehr schnell unterwegs. Ich trage (noch) keinen Helm. Das macht Spaß, ist aber unvernünftig.

Manchmal lassen mich die Polizisten Strafe zahlen, was in Ordnung ist, nur höflich muss man mit mir bleiben. Ich habe verschiedenste Erfahrungen mit der Exekutive gemacht. An Glückstagen sind es ganz reizende Beamte, die nachsichtig meinen, man solle das besser unterlassen, was ich natürlich verspreche. Aber es gibt auch die anderen, die einen trotz Charmeoffensive übergriffig maßregeln. In dem Fall vermeide ich weitere Diskussionen und zahle lieber – dann kostet es eben, was es kostet.

Unterm Strich gilt: Wenn es Winter wird und ich unfallfrei durch die Saison gekommen bin, bin ich dankbar." (Michael Hausenblas, RONDO, 12.4.2019)