Als die Priester für ein gutes Auskommen mit den Vertretern der linken Kräfte zu sorgen hatten: Fernandel in seiner Paraderolle als "Don Camillo".

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Man sollte grundsätzlich Menschen misstrauen, die meinen, wir leben in gottlosen Zeiten. Natürlich ist es stiller geworden in den heimischen Gotteshäusern, dafür aber auch ein Stück weit übersichtlicher. Man hat ganze Bankreihen für sich allein. Es stimmt: Die Priester zählen heute weniger Häupter in den Kirchen; auch hängen die Klingelbeutel etwas schlapper. Aber allein die kolportierten Entschädigungszahlungen an Missbrauchsopfer unterstreichen, dass Mutter Kirche finanziell unvermindert potent ist.

In meinen Augen, denen eines glücklichen Babyboomers, glichen die kirchlichen Geldeintreiber stummen Zauberern. Als Kind, das es nach Gottes Segen gelüstete, wäre ich für liturgischen Pomp empfänglich gewesen. Aber die katholischen Konzilsväter hatten Ernüchternderes beschlossen.

Hokuspokus und Weihrauch

Anstatt abgewandten Hauptes ihr lateinisches Hokuspokus zu flüstern und dabei eifrig den Weihrauchkessel zu schwenken, wandten sich die Pfarrer nunmehr als gute Kumpel an ihre Schäfchen. "Kennen wir das nicht alle?", hob eine solche Sonntagspredigt an. Es folgten meist ein paar sachdienliche Ausführungen, die Nächstenliebe oder die Ehehygiene betreffend. Katholikinnen und Katholiken, die schon im Ständestaat begeistert Palmkätzchen durch die Straßen getragen hatten, wandten sich mit stummem Schaudern von dem entzauberten Schauspiel ab.

Die sonst strikt auf Säkularismus gebürsteten Jahre der Ära Kreisky waren voll mit Ehrfurcht gebietenden Geistlichen: Man denke an Kardinal König. Die auf Krawall gebürsteten Prediger, die gegen den methodischen Gebrauch von Verhütungsmitteln die Zunge wetzten, fanden sich in die Aufbahrungshalle des Wiener Zentralfriedhofs strafversetzt.

Ich selbst hatte Ruftanten, ein gottesfürchtiges, hochbetagtes Schwesternpaar. Die Tanten Anni und Liesi lauschten ohne Unterlass Radio Vatikan, dabei häkelten sie Topflappen, so groß wie Pizzaböden. Auf meine Frage, warum sie so viel beteten, wo doch Gott ohnedies in ihre Herzen zu blicken vermöchte, reagierten sie verschnupft. Sie strichen mir kurzerhand das Dessert nach dem angebrannten Nudelauflauf. Für gewöhnlich gab es bei ihnen aber ohnehin bloß Scheiterhaufen. (Ronald Pohl, 10.4.2019)