In Österreich wird ein Öxit nach allen Umfragen in schöner Regelmäßigkeit mit großer Mehrheit abgeschmettert, analysiert Hans Rauscher.

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Die EU ist nur Bürokratie. Es gibt nur ein "EU-Theater" (ständige Schlagzeile in der Leserbriefrubrik der "Krone"). Die EU ist schuld an allem – von der Gurkenkrümmung bis zu geheimen Plänen zur Flutung Europas mit muslimischen Migranten. Und so weiter.

Das ist nur ein kleiner Auszug aus den Meinungen über die EU, die man in rechtspopulistischen Medien, von rechtspopulistischen Politikern und auch von ganz normalen Bürgern hören kann. Das sind meist bewusste Desinformationen von interessierter Seite, zur Not auch aus den Trollfabriken Wladimir Putins und ihren westlichen Wurmfortsätzen.

Mindestens so problematisch ist es, dass die EU vielen Europäern nicht sehr wichtig ist. Dass sie vielen auch langweilig und in ihrer Komplexität unverständlich ist. Deshalb ist die Wahlbeteiligung bei Wahlen zum EU-Parlament oft ziemlich niedrig und droht es Ende Mai wieder zu werden.

Das soll nicht heißen, dass eine nennenswerte Bevölkerungsgruppe in der EU gerne auf die EU verzichten würde. In Österreich wird ein Öxit nach allen Umfragen in schöner Regelmäßigkeit mit großer Mehrheit abgeschmettert. Die Zustimmung zur Mitgliedschaft war vor 25 Jahren 66 Prozent und ist es seither im Wesentlichen geblieben. Der Austritt Großbritanniens, der durch Desinteresse vor allem junger Wähler und durch Lügen und Manipulationen einer völlig verrotteten Massenpresse und eines relativ kleinen Klüngels von Politikern passierte, hat viele nachdenklich werden lassen: Bei aller Kritik, das wollen wir denn doch nicht.

Österreich ist als Teil der EU nicht verankert

Das Problem bleibt aber, dass die EU nicht wirklich als Teil des täglichen Lebens und als Faktor für Frieden und Wohlstand begriffen wird. Die ehemalige EU-Staatssekretärin Brigitte Ederer (SPÖ) hat in einem "Kurier"-Interview mit Josef Votzi anlässlich der erfolgreichen Beitrittsverhandlungen vor 25 Jahren den Punkt getroffen: "Es ist nie gelungen, Österreich in den Hirnen und Herzen als Teil dieser Europäischen Union zu verankern."

Die rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien in der EU von Salvinis Lega über die FPÖ und Orbáns Fidesz bis zum Rassemblement National von Marine Le Pen wollen die EU zerstören. Man darf sich nicht von dem Gerede über "eine andere", eine "reformierte" EU täuschen lassen. Rechtsextreme Nationalisten wollen keine übernationale Vereinigung, die nach gewissen demokratischen und zivilisatorischen Mindeststandards handelt. Sie wollen eine Wiederkehr der 30er-Jahre, zwar ohne Krieg, aber mit Hass und undemokratischen Zuständen.

Aber das scheint sehr vielen nicht klar zu sein, beziehungsweise ist es offenbar nicht gelungen, genügend klar zu machen, dass die EU uns schützt. Noch einmal Brigitte Ederer: "Wer soll denn sonst die Giganten à la Google und Facebook in die Schranken weisen? Wer sollte in einem weltweiten Handelskrieg die Interessen Europas schützen? Ein einzelner Staat kann das nicht. Die Leute müssen insgesamt das Gefühl haben, da denkt wer über ihre täglichen Sorgen nach. Das müsste man dann europaweit anhand von ein paar wenigen Punkten durchziehen."

Müsste man. (Hans Rauscher, 9.4.2019)