Seit vergangenem Jahr protestieren die Frauen in Kroatien gegen die schmerzhaften Eingriffe.

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Das Zeichen der Gruppe ist ein roter Händeabdruck, der an Blut erinnern soll. "Stoppt das Schweigen!" ist der Slogan. In Kroatien melden sich immer mehr Frauen zu Wort, die gynäkologische Operationen ohne jegliche Anästhesie am eigenen Leibe erfahren mussten. Die Praxis ist bis heute in Kroatien verbreitet. Den Frauen wird einfach mitgeteilt, dass sie den Schmerz ertragen müssten. Einen medizinischen Grund für die Torturen gibt es nicht.

Die Aktivistin Daniela Drandić von der NGO Roda sagt: "Die Erklärung, die die Frauen erhielten, wenn sie um eine Betäubung baten, war immer die gleiche. Die Leute im Spital sagten: Wir machen das seit Generationen ohne Anästhesie." Regelmäßig finden in den großen Städten in Kroatien, in Zagreb, Zadar, Pula, Rijeka und Split, Protestveranstaltungen der Bewegung "Stoppt das Schweigen" statt. Ausgelöst wurde die Bewegung durch eine Rede der Parlamentarierin Ivana Ninčević -Lesandrić , die im vergangenen Oktober im Parlament in Zagreb das jahrzehntealte Tabu brach und von ihren eigenen Erfahrungen bei einer Ausschabung ihres Uterus ohne jegliche Anästhesie berichtete.

"Schrecklichsten 30 Minuten"

"Sie banden Arme und Beine zusammen und begannen eine Kürettage ohne Anästhesie, dies waren die schrecklichsten 30 Minuten meines Lebens", sagte die junge Frau. "Ich könnte Ihnen von jeder Sekunde erzählen, da jede eine Ewigkeit dauerte." Bezeichnend für das fehlende Bewusstsein in Kroatien ist, dass der Gesundheitsminister Milan Kujundžić nach der Aussage von Ninčević -Lesandrić , behauptete, sie würde lügen und ihre Erlebnisse würden nicht stimmen.

Doch hunderte Frauen meldeten sich in der Folge und erzählten, dass es ihnen gleich ergangen sei. Etwa 400 Berichte wurden gesammelt. Zu den Operationen, die ohne Betäubung durchgeführt werden, gehören Fehlgeburten, Ausschabungen der Gebärmutter, Entfernungen der Plazenta, Nähte nach der Geburt oder Dammschnitte ohne Einwilligung.

Verbrannter Geruch

Der Widerstand gegen die Praxis in den Spitälern wurde stärker. Eine der Frauen, die sich trauten, an die Öffentlichkeit zu gehen, ist Ana Kovačević, die dem STANDARD von einer Gebärmutterhalsbiopsie berichtet. "Mir wurden im Juli 2018 neun Proben entnommen. Von Anästhesie war absolut keine Rede. Ich sagte, dass ich Schmerzen hätte und nach der dritten Ausschabung diese nicht mehr aushalten könne. Es war widerlich – der Klang des Ausschabungsgeräts und der Geruch von verbranntem Gewebe! Mir kamen die Tränen, und ich fühlte mich schrecklich."

Kovačević wünscht sich, dass die Vulnerabilität von Frauen bei diesen Operationen nun anerkannt, ihnen mit Mitgefühl begegnet und nicht der Eindruck vermittelt wird, dass sie sich schämen oder dies aushalten sollten. Zurzeit würden Frauen noch wie Tiere behandelt.

Daniela Drandić erzählt, dass die Anästhesie-Verweigerung nicht in allen Spitälern stattfindet. "Aber in manchen gehöre sie zum "institutionellen Erbe". Auch neues medizinisches Personal werde einfach in die alten Praktiken eingeführt, und diese würden nicht hinterfragt. Ziel sei es nun, dass Ärzteverbände verbindliche Richtlinien schaffen, die die Frauen vor den sinnlosen Qualen bewahren.

Eine Gruppe von UN-Menschenrechtsexperten hat Kroatien nun offiziell aufgefordert, die Missachtung der Rechte der Frauen in der Sexual- und Fortpflanzungsmedizin sofort zu beenden und Maßnahmen zu ergreifen, damit so etwas nicht mehr stattfinden kann. Jene, die für diese Praktiken zuständig gewesen seien, sollten zu Verantwortung gezogen werden. "Wir sind über schmerzvolle Behandlungen ohne Anästhesie tief besorgt", so die UN-Experten. (awö, 11.4.2019)