Nach wochenlanger Aufregung über die Identitären und die Kontakte der rechtsrabiaten Splittergruppe zur FPÖ liefert Innenminister Herbert Kickl am Mittwoch nach dem Ministerrat einen Auftritt ab, der das Land offenbar auf anderweitige Gefahren vorbereiten soll.

Seine erste Nachricht lautet: Die Balkanroute ist keineswegs geschlossen. Allein in Griechenland warten derzeit "60.000 Migranten mit Bereitschaft weiterzureisen" und die sich mit Anbruch der wärmeren Jahreszeiten bald aufzumachen drohen. In Nordmazedonien sei bereits Tränengas eingesetzt worden, "um das zu verhindern". Und in der Türkei säßen noch immer 6,5 Millionen Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg fest.

Herbert Kickl energisch auf dem Weg zum Ministerrat: Danach erläuterte er ausführlich seinen neuen Problemaufriss für das Land.
Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Der FPÖ-Minister konstatiert daher "eine Gefährdungssituation, die Vorbereitungsmaßnahmen notwendig" mache, damit sich die Lage von 2015 und 2016 nicht wiederhole. Auch Deutschland, Frankreich, Schweden teilten diese Einschätzung.

Zusperren statt bitten

Deswegen will Kickl die gemäß EU-Recht bis Mai befristeten Grenzkontrollen zu Ungarn und Slowenien bis November aufrechterhalten – was er die EU-Kommission bekanntlich bereits per Brief wissen hat lassen. In Richtung Brüssel setzt er jetzt aber nach: "Wir treten nicht als Bittsteller auf!" Er frage bei sich zu Hause ja auch nicht erst bei seinem Bürgermeister an, ob er, Kickl, die Haustüre zusperren dürfe oder nicht, wenn er das als notwendig erachte. Auch an die Schlepper, die Flüchtlinge nach Österreich schleusen könnten, setzt der blaue Minister heute eine explizite Botschaft ab: "Es hat keinen Sinn, Ihr kommt nicht durch!"

Nächste Gefahrenlage: Nach der Niederschlagung des IS will der Innenminister "nicht einmal einen Teil seines kleines Fingers" dafür rühren, dass die aus Österreich stammenden Foreign Fighters, allesamt "tickende Zeitbomben", wieder einfach so ins Land kommen. Ebenfalls in einem Schreiben hat Kickl der EU-Kommission daher mitgeteilt, dass er und Außenministerin Karin Kneissl sich ab sofort für UN- und EU-gestützte Tribunale vor Ort starkmachen.

Zeitbomben vor Ort belassen

Als Vorbild dafür könnten etwa die früheren Gerichte im Zuge der Völkermorde in Ruanda und auf dem Balkan dienen, führt der Minister aus. Die ehemalige Chefanklägerin dieser UN-Kriegsverbrechertribunale, Carla del Ponte, wisse er damit jedenfalls auf seiner Seite. Würden die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ihre IS-Kämpfer gesondert der Justiz zuführen, kämen auf die Länder allzu schwierige Beweisverfahren zu: "Denken Sie nur an die Zeugenbefragungen", erklärt Kickl – diese Menschen müsste man erst in Syrien, im Irak aufspüren und dann auch noch für die Gerichtsverhandlungen einfliegen.

Den späteren Einwand eines Journalisten, ob Österreich nicht besser in der Lage wäre, seine IS-Kämpfer in Sicherungshaft zu nehmen, wird Kickl gekonnt von seinem gläsernen Stehpult wischen: Eine derart "seltsame Frage" sei ihm zu der Problematik noch nie gestellt worden – noch dazu, wo es sich dabei um Leute handle, die in den Krieg gezogen sind, um anderen "den Kopf abzuschneiden".

Fragen, ob die jüngsten Razzien das Problem mit den Identitären vergessen machen sollen, wies Kickl beim Pressefoyer zurück: "Ja hätte man auf die Razzia verzichten sollen? Das wäre geradezu absurd!"
Foto: Regine Hendrich

Ähnlich schnell werden auch jene Medienvertreter abgefertigt, die sich wegen möglicher Schadenersatzklagen erkundigen, die eingebürgerte Türken nun einbringen könnten, weil sie zu Unrecht als Doppelstaatsbürger verdächtigt wurden. "Das ist kein Massenproblem, das sind Einzelfälle", sagt Kickl.

Kein Wort davon, dass es möglicherweise ein Fehler von der FPÖ gewesen ist, die Liste mit den angeblichen Austrotürken an die Behörden weiterzuleiten. Kickl nennt das einen "verantwortungsvollen Umgang", wenn es den Verdacht des Missbrauchs gäbe.

Gefährlicher Pilz

Obwohl tags zuvor Razzien in ganz Österreich, konkret 32 Hausdurchsuchungen, stattfanden, benennt der Innenminister weder aufkeimenden Rechtsextremismus noch Neonazismus als Problem. Vielmehr sieht Kickl darin einen Beleg für die Handlungsfähigkeit des Verfassungsschutzes, dem seit der unter seiner Amtsführung erfolgten Hausdurchsuchung allerdings das Gegenteil nachgesagt wird: "Ja hätte man auf die Razzia verzichten sollen? Das wäre geradezu absurd!"

Das war aber noch nicht alles. Zum Abschluss setzt Kickl noch zu einer minutenlangen Anklage gegen Jetzt-Aufdecker Peter Pilz an. Denn es sei "ein Ausbund der Unverantwortlichkeit", wenn man die Geheimdienste immer wieder derart ins Gerede bringe. Pilz gehe es dabei keineswegs um die Sicherheit Österreichs.

Video-Replik von Peter Pilz

Ihn, Kickl, würde es jedenfalls nicht wundern, wenn Pilz selbst auf der Liste eines ausländischen Geheimdienstes stünde. Nachfragen, was er damit genau meine, sind an dieser Stelle nicht mehr gestattet. (Nina Weißensteiner, 10.4.2019)