Das Internet "darf kein rechtsfreier Raum" sein, rechtfertigt Kanzler Kurz jenen Gesetzesentwurf, mit dem man zahlreiche Onlineplattformen zwingen möchte, die Identität ihrer Poster eindeutig festzustellen. Sein Statement zeichnet ein falsches Bild, denn der Diskurs im Netz unterliegt natürlich Gesetzen: Wer andere schwer beleidigt oder bedroht, macht sich strafbar. Die Deanonymisierung der Nutzer ändert nichts daran, dass viele Hasspostings heute schon unter Klarnamen verfasst werden. Dass sie oft ungestraft bleiben, liegt an der personellen Unterbesetzung der Justizbehörden und an der mangelnden Kooperationsbereitschaft großer Onlinenetzwerke.

Das Ziel, den Hass im Netz einzudämmen, ist löblich. Doch die neue Regelung schießt daran vorbei und gefährdet die Privatsphäre vieler Menschen, die unter Generalverdacht gestellt werden sollen. Es ist ein bedenklicher Entwurf, geschaffen von einer Regierung, die uns zuletzt schon mit der Registrierungspflicht für Handywertkarten beglückt hat. Er wird zwar keine Hasspostings verhindern, dafür aber den (regierungs)kritischen Austausch erschweren.

Nun bleibt zu hoffen, dass das Vorhaben daran scheitern wird, dass es mit der europäischen E-Commerce-Richtlinie unvereinbar ist, wie Rechtsexperten behaupten. Denn nicht nur das Internet, auch die Europäische Union ist kein rechtsfreier Raum, in dem Regierungen nach Gutdünken schalten und walten können. (Georg Pichler, 10.4.2019)