Die Lebenserwartung von Arm und Reich klafft in Deutschland immer weiter auseinander, sagen Forscher.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Rostock – Armut macht krank. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Besonders deutlich zeigt sich das in der Lebenserwartung älterer Männer, wie Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung nun berechnet haben. Demnach hatten 65-Jährige mit sehr hohen Pensionszahlungen im Jahr 2005 eine durchschnittliche verbleibende Lebenserwartung von knapp 19 Jahren. Das unterste Einkommens-Fünftel dagegen erreichte den 80. Geburtstag in der Regel nicht mehr. Ihnen verblieben nach dem 65. Geburtstag im Durchschnitt nur mehr knapp 15 Jahre – also vier Jahre weniger. Bis zum Jahr 2016 vergrößerte sich dieser Unterschied weiter auf über fünf Jahre, während er 1997 noch bei ungefähr drei Jahren gelegen hatte.

Das Fazit der Wissenschafter: Der Abstand zwischen Arm und Reich in der durchschnittlichen Lebenserwartung sei während der vergangenen 20 Jahren stark gewachsen. "Vor allem für Menschen am unteren Ende der sozialen und wirtschaftlichen Hierarchie stieg die Lebenserwartung im Alter 65 zuletzt deutlich langsamer – im Westen sogar seit etwa 2007 fast gar nicht mehr", sagt Studienleiter Georg Wenau.

Ein weiteres Ergebnis: Die Lebenserwartung stieg zwar in allen Einkommensschichten, aber während sie in der untersten Einkommensgruppe in Westdeutschland von 1997 bis 2016 lediglich um 1,8 Jahre zunahm, hat die oberste Gruppe gleichzeitig fast doppelt so viel Lebenszeit hinzugewonnen. Im Osten war der Zugewinn der obersten Einkommensgruppe mit 4,7 Jahren ebenfalls deutlich höher als bei der untersten Gruppe mit 3 Jahren. Vor allem im Osten hat sich die sozioökonomische Zusammensetzung der Bevölkerung im Rentenalter stark verändert. Demnach hat sich der Anteil jener Männer, die in die unterste Einkommensgruppe fallen, von 2005 bis 2016 beinahe verdoppelt.

Im Osten stieg einkommensschwächste Gruppe deutlich

Für die Analyse nutzten die Wissenschafter Daten der Deutschen Rentenversicherung, die sowohl die Lebensdauer (Rentenbezugsdauer) als auch die Anzahl der erworbenen Rentenpunkte, also die Höhe der Rente, enthalten. Diese Rentenpunkte interpretierten sie als eine Art Lebensarbeitseinkommen, das die soziale und wirtschaftliche Position einer Person innerhalb der Gesellschaft widerspiegelt.

Die Einkommensgruppen wurden dabei nicht nach dem Einkommen gebildet, sondern nach den zu Rentenbeginn erreichten Anwartschaften. Alle männlichen Rentner wurden anhand dieser Rentenpunkte in fünf Einkommensgruppen, sogenannte Quintile, aufgeteilt. Während sich der Anteil der Rentner pro Einkommensgruppe in Westdeutschland über die Zeit kaum änderte, wuchs die einkommensschwächste Gruppe in Ostdeutschland von 2005 bis 2016 stark an: von etwa einem Fünftel aller Männer auf 36 Prozent.

"Es darf auch nicht vergessen werden, dass eine kleine Rente nicht nur für einen geringen Wohlstand im Lebensabend steht, sondern auch für gebrochene Erwerbsbiografien mit schlecht bezahlten Jobs und Zeiten der Arbeitslosigkeit", betont Georg Wenau. Wenn nun die Rentenzahlung pro gesammeltem Rentenpunkt erhöhen werden würde, wären zwar alle im Alter wohlhabender, aber die lebensverkürzende Historie von Langszeitarbeitslosigkeit und niedrigen Löhnen trüge die untere Einkommensschicht immer noch mit sich herum. (red, 11.4.2019)