Charlotte Krenz als Rodion Romanowitsch Raskolnikow, ein erfolgloser Schauspieler mit ganz eigenen Theorien zur Rechtfertigung von Mord.

Foto: Philine Hofmann

Es wird eng auf der Bühne, 14 Figuren von der feinen Mutter bis zum störenden Nachbarn tummeln sich dort.

Foto: Philine Hofmann

Ein schmächtiger roter Vorhang, zu klein, um die ganze Bühne zu verdecken. Aber welches Theater wäre nicht verlegen, müsste es Fjodor Dostojewskis 800 Seiten dicken Roman Schuld und Sühne dramatisieren? Am besten nimmt man die Mammutaufgabe mit Humor. Das tut Schauspieler und Regisseur Alexander Pschill in seinem kleinen Theater nächst der Porzellangasse.

Es handle sich um das Buch eines berühmten russischen Autors, das die ganze Welt erkläre, stellt ein Conférencier im biederen Pullunder am Anfang des Abends das gegebene "Unterhaltungsstück" vor. Das lasse sich natürlich nicht in 90 Minuten machen. Geschlagene drei Stunden dauert es im Bronski & Grünberg.

Aufgeklebte Bärtchen

Pschill zeichnet gemeinsam mit seiner Partnerin Kaja Dymnicki für Text, Regie und Bühne verantwortlich. Aus Dostojewskis gescheitertem Jus-Studenten Rodion Romanowitsch Raskolnikow machen sie einen erfolglosen Schauspieler. Charlotte Krenz gibt ihn mit selbstgefälligem Grinsen und aufgeklebtem Bärtchen. In seiner engen Bude spinnt er Theorien zur Rechtfertigung von Mord.

Platz sparen ist auf der kleinen Bühne angesagt! Auf der anderen Seite der Wand haust die von Raskolnikow gehasste Pfandleiherin. Mit bitterem Gesicht verstaut Doris Hindinger in ihrer Schublade Raskolnikows gegen Wucherzinsen versetzte Habseligkeiten. Deshalb will er sie töten.

Krachvoll mit Slapstick

Bevor Hindinger dem übelmeinenden Kunden die Tür öffnet, zuckt sie jedes Mal vor dem ausgestopften Wiesel darüber zurück – der Abend ist krachvoll mit solchem Slapstick. Dann und wann hört man die Rufe eines Speiseeisverkäufers. Dazu kommen Soundeffekte und Wortverdreher. Mienenspiel und Ton der Figuren sind nicht weniger exzentrisch.

Wer so etwas mag, hat reichlich zu lachen. Keiner kommt jedenfalls umhin zu erkennen, mit wie viel Genauigkeit und Lust hier gearbeitet wird. Großartig!

Ballett in der Amtsstube

Pschill bedient sich bei Dostojewski, streicht manches, schreibt Rollen neu und um. In der Zwischendecke Raskolnikows wohnt etwa Darsteller Claudius von Stolzmann. Aus dem Boden räumt er eine ganze Wohnungseinrichtung auf die Bühne, während er in einem furiosen Monolog seine halberlogene Lebensgeschichte erzählt. Florian Carove spieltden Untersuchungsrichter und vollführt im Amt zwischen Verhören zum Brüllen komisch Ballettübungen. Sein Gesicht läuft dabei so rot an wie die Wand hinter ihm. Das will man gesehen haben! Dieser lange Abend schnurrt. (Michael Wurmitzer, 11.4.2019)