Vor der "Orientierungsdebatte" im Bundestag wurde in Berlin gegen den Test demonstriert. Daran nahm auch Natalie Dedreux, eine Kölner Aktivistin mit Downsyndrom, teil.

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Die fraktionsübergreifenden Scharmützel, die persönlichen Rivalitäten – alles Hämische, was im Deutschen Bundestag oft bei Debatten zu beobachten ist, hatte an diesem Donnerstag Pause. "Ethische Fragen sind weder schwarz noch weiß, sie sind komplex", sagt die CDU-Abgeordnete Claudia Schmidtke, die um neun Uhr als erste Rednerin ans Pult tritt, und sie gibt damit den Tenor vor.

Auf der Tagesordnung steht ein schwieriges Thema: Die Debatte um jenen Gentest, der seit 2012 auf dem deutschen Markt ist. Er wird schon um die elfte Schwangerschaftswoche eingesetzt. Mit dem Blut der werdenden Mutter kann man die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der das Kind das Downsyndrom oder andere Trisomien hat.

Nicht das Risiko einer Fruchtwasseruntersuchung

Der Test gilt als sehr sicher und hat nicht das Risiko einer Fruchtwasseruntersuchung. Bei einer solchen überleben ein bis drei Föten von 1.000 den Eingriff nicht. Doch im Gegensatz zur Fruchtwasseruntersuchung ist dieser Gentest keine Kassenleistung. Er kostet rund 200 Euro, wer ihn durchführen möchte, muss privat bezahlen. So ist die Lage auch in Österreich. Erst seit kurzem leisten einige Zusatzversicherungen einen Kostenbeitrag.

In Deutschland schlägt nun der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss die Übernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen vor. Dieses Gremium aus Kassen, Ärzten, Kliniken und Patientenvertretern entscheidet über gesetzliche Leistungen in der Krankenversicherung.

Sorge bezüglich Abtreibungen

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) befürwortet dies. "Wenn jetzt ein Test kommt, der quasi kein Risiko mehr hat, dann müssen die Kassen das zahlen", sagt er. Doch es geht bei diesem Thema natürlich um sehr viel mehr als um finanzielle Mittel für eine Blutabnahme. Die Frage, die darüber schwebt, lautet: Welche Kinder sind gewünscht? Und folgen auf den Test auf Kassenkosten dann leichter Abtreibungen?

Um dies zu klären, hielt der Bundestag am Donnerstag eine "Orientierungsdebatte" ab. Kein Fraktionszwang, jeder Abgeordnete sagt drei Minuten lang, was er denkt, es folgen keine Beschlüsse – so lauteten die Regeln.

SPD-Gesundheitssprecher "für den Test"

"Ich bin für den Test, er ist medizinisch viel besser", sagt der SPD-Abgeordnete und Gesundheitssprecher Karl Lauterbach. "Kann ich den besseren Test Frauen vorenthalten, wenn sie die finanziellen Mittel nicht haben?", fragt er und gibt die Antwort selbst: "Das können wir nicht."

Das ist ganz im Sinne der FDP-Mandatarin Christine Aschenberg-Dugnus. "Es existiert ein Recht auf Wissen und eines auf Nichtwissen", meint sie. Aber die Entscheidung, ob man diesen Test nun machen wolle oder nicht, müsse "ohne sozialen Druck" erfolgen können. Daher sollten die Kassen die Kosten übernehmen – allerdings nicht flächendeckend.

Das haben die ohnehin nicht vor. Der Test soll nur dann bezahlt werden, wenn bei einer Frau aufgrund ihres Alters, ihrer Vorgeschichte oder bereits erfolgten Untersuchungen ein erhöhtes Risiko für ein Downsyndrom beim Kind festgestellt wurde.

"Test dient zur Selektion"

Der grünen Abgeordneten Corinna Rüffer geht sogar dies zu weit. "Das Gesundheitssystem ist dazu da, Menschen zu heilen", sagt sie. Doch durch diesen Test erfolge keine Heilung, was ja auch nicht nötig sei, da Trisomie 21 keine Krankheit sei. "Der Test dient zur Selektion", kritisiert sie und berichtet von Menschen, die "unendlich dankbar" waren, dass sie vorab nichts vom Downsyndrom ihres Kindes gewusst haben, weil sie sonst abgetrieben hätten.

Rüffer ist die Erste, die "ein warmes Willkommen" an die Besuchertribüne richtet. Dort sitzt auch eine Gruppe von Jugendlichen mit Trisomie 21.

Nach zwei Stunden ist die Debatte zu Ende, letztendlich haben sich mehr Abgeordnete für den Test auf Kassenkosten ausgesprochen. Entschieden wird erst im Sommer, und zunächst bleibt Deutschland so gespalten wie die Kirchen in dieser Frage.

Die evangelische Kirche stellt sich nicht gegen den Test, da er ohnehin schon erhältlich sei. Man sollte verhindern, dass er "ungeregelt genutzt" wird. Bei den katholischen Bischöfen hingegen heißt es: "Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, keine Beschlüsse zu fassen, die im Resultat dazu geeignet sind, die Zahl der Abtreibungen zu erhöhen." (Birgit Baumann aus Berlin, 11.4.2019)