Wien – Die Zahl der Schüler, denen wegen einer körperlichen oder psychischen Behinderung sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) attestiert wird, ist in den vergangenen Jahren gestiegen – von 3,6 Prozent der Pflichtschüler (2007/08) auf 5,3 (2017/18). Dazu kommen große Unterschiede nach Bundesländern, von 3,7 Prozent in Tirol bis sieben in Vorarlberg. Ein neues Verfahren soll mehr Objektivität bringen.

Passender Lehrplan zu suchen

Früher haben laut Bildungsministerium je nach Bundesland Sonderschuldirektoren, Pflicht- oder Landesschulinspektoren die Diagnose gestellt und danach den passenden Lehrplan und Schulplatz für das Kind festgelegt. Nun sind die mit Anfang 2019 eingerichteten Bildungsdirektionen (früher: Landesschulräte) zuständig.

Damit soll es künftig ein österreichweit einheitliches SPF-Verfahren geben und "Objektivität und Transparenz" erhöht werden, wie es auf APA-Anfrage heißt.

Interessenskonflikte vermeiden

Außerdem sollen dadurch Interessenskonflikte vermieden werden, waren doch mit den Sonderschuldirektoren teils die späteren "Abnehmer" selbst für die Diagnose der Schüler verantwortlich. Im neuen Verfahren erstellen Juristen der Bildungsdirektion die SPF-Bescheide.

Die Juristen stellen auf Basis von Unterlagen und eventuellen sonderpädagogischen, ärztlichen oder psychologischen Gutachten und Stellungnahmen fest, ob beim Schüler überhaupt eine Behinderung vorliegt und entscheiden über konkrete Fördermaßnahmen. In Absprache mit den Eltern legen sie außerdem fest, welche Schule das Kind besucht. Auch hier gab es bisher je nach Bundesland große Unterschiede: Während 2017/18 in Kärnten 84 Prozent der SPF-Schüler gemeinsam mit Kindern ohne Behinderung unterrichtet wurden, waren es in Wien nur 51 Prozent.

Spezielle Förderung

Vorgesehen ist der Status SPF ausschließlich dann, wenn Schüler wegen einer längerfristigen körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung dem Unterricht nicht ohne sonderpädagogische Förderung folgen können. Sie können dann durch spezielles Lehrmaterial oder entsprechende Lehrer gefördert oder in einem oder mehreren Fächern nach dem Lehrplan einer niedrigeren Schulstufe oder anderen Schulart unterrichtet werden.

Wo andere Förderung nötig wäre

Explizit nicht vorgesehen ist der SPF für Schüler, die zu Beginn der Volksschule nicht altersentsprechend entwickelt sind. Für Schüler, die die Unterrichtssprache nicht beherrschen, sind Deutschförderklassen oder -kurse vorgesehen, betont das Ministerium. Auch Lernprobleme (etwa Lern- oder Rechenschwäche, Verhaltensauffälligkeiten, Sprachstörungen) sind kein Grund für einen SPF, selbst wenn die Schüler "besonders förderbedürftig" sind.

Schon in der letzten Richtlinie von 2016 waren diese Klarstellungen enthalten – und haben laut Ministerium gemeinsam mit einer stärkeren Zentralisierung der Bescheide in Kärnten und Tirol, wo in Modellregionen eine weitgehende Abschaffung der Sonderschule erprobt wird, zu einem Rückgang der SPF-Quote um 16 bzw. acht Prozent geführt. (APA, 12.4.2019)