Jubel über Bashirs Abgang – aber die Forderungen bleiben.

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Am Tag nach dem Sturz von Omar al-Bashir hörten sich die Verlautbarungen der neuen sudanesischen Militärjunta etwas weniger martialisch an: Tausende Menschen hatten in Khartum die am Donnerstag verhängte nächtliche Ausgangssperre einfach ignoriert und sich auf ein längeres Kampieren vor dem Verteidigungsministerium eingerichtet, um ihre Forderungen zu unterstreichen. Die von Verteidigungsminister und "Militärrats"-Chef Awad Ibn Awf verkündete zweijährige Übergangsperiode sei als Obergrenze gemeint gewesen, stellte die Junta klar – und die Regierung werde aus Zivilisten bestehen.

Unausgesprochener Zusatz: wenn die Protestbewegung kooperiert. Aber die Menschen gingen nicht heim. Am Abend wurde dann überraschend der Rücktritt Ibn Awfs bekannt gegeben, der am Donnerstag in bombastischer Aufmachung die Absetzung des Präsidenten verkündet hatte. Zu seinem Nachfolger wurde Armeechef Abdelfattah al-Burhan Abdelrahman ernannt, er hatte bei der Orchestrierung des Rücktritts von Omar al-Bashir ebenfalls eine führende Rolle gespielt.

Aufrufe zur Auslieferung

Von diesem hieß es, er werde an einem "sicheren Ort" verwahrt. Am Freitag setzten die diversen Aufrufe aus dem Ausland ein, den abgesetzten Präsidenten an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zu überstellen, gegen den wegen Kriegsverbrechen in Darfur zwei Haftbefehle laufen. In dieser Beziehung hat Omar al-Bashir jedoch einstweilen nichts zu befürchten, denn viele der neuen alten Figuren sind ebenso belastet. Gegen Ibn Awf laufen in diesem Zusammenhang US-Sanktionen.

Aber auch bei den Demonstrationen waren die Haftbefehle kein wirkliches Thema: Das Vertrauen der Sudanesen in die politische Unabhängigkeit der internationalen Justiz ist endenwollend.

Gemessen an der weltweiten Mobilisierung gegen das Regime von Omar al-Bashir während des Darfur-Konflikts ab 2003 verpufft dessen Ende relativ geräuschlos. Die mediale Öffentlichkeit ist wohl nach Jahren des Auf und Ab von Regimewechseln in der arabischen Welt auch einfach ermüdet. Für die Sudanesen und Sudanesinnen ist es hingegen ein epochaler Einschnitt: Nur wer im fortgeschrittenen Erwachsenenalter ist, kann sich an die Zeit vor dem Putsch des damals relativ obskuren Armeegenerals im Juni 1989 erinnern. Niemand war im Sudan länger an der Macht als Omar al-Bashir.

Islamistische Militärs

Der Umsturz 1989, der die Regierung des heute greisen Oppositionellen al-Sadiq al-Mahdi beendete, brachte eine seltsame Mischung aus Islamisten und Militärs an die Macht: Chefideologe wurde Hassan al-Turabi, ein islamistischer Intellektueller, dessen persönliche Entwicklung dazu führte, dass er sich mit Bashir Ende der 1990er-Jahre überwarf.

Das Regime blieb jedoch islamistisch und benützte den Islam auch als Mobilisierungswaffe gegen den christlich-animistischen Süden, mit dem der Nordsudan bis 2005 Krieg führte. Der dumpfe Islamismus der Obrigkeit machte immer wieder Schlagzeilen: Erinnerlich sind etwa Prozesse gegen Frauen wegen des Tragens von Hosen oder die Verfolgung einer britischen Lehrerin, die einem Teddybären den Namen "Mohammed" gab, was ihr als Verhöhnung des islamischen Propheten angekreidet wurde. Der Vollständigkeit halber ist jedoch anzumerken, dass diese Fälle stets im Sand verliefen.

Omar al-Bashir und seine Islamisten werden den Muslimbrüdern zugerechnet, was im Laufe des jetzigen internen Putsches auch Thema war. Die neue Militärjunta behauptet, die Muslimbrüder hätten ein Massaker unter den Demonstranten und Demonstrantinnen angerichtet, wären sie nicht gestoppt worden. Damit versuchen sich die neuen Machthaber nicht nur als Retter des Volkes zu positionieren. Das ist auch ein politisches Argument, mit dem sie internationale Unterstützung lukrieren wollen.

Ressentiments in Kairo

Etwa in Ägypten: Ende Jänner – die Proteste hatten schon begonnen – holte sich Bashir bei einem Besuch in Kairo Zusicherungen von Präsident (und Feldmarschall) Abdelfattah al-Sisi. Ägyptens Interesse an einem stabilen Sudan ist vital, aber gegen Bashir gab es Ressentiments: Da ist einmal Sudans Unterstützung des äthiopischen Großdammprojekts am Blauen Nil, durch das Ägypten bis zu zehn Millionen Kubikmeter Wasser jährlich weniger bekommen würde. Oder – Stichwort Muslimbrüder – die Verpachtung der kleinen Insel (und des ehemals osmanischen Hafens) Suakin im Roten Meer an die Türkei, die Erzfeindin des Sisi-Regimes.

Zwar hat Omar al-Bashir in den letzten Jahren die strategische Partnerschaft mit dem Iran beendet und sich wieder Saudi-Arabien zugewandt: Als unsicherer Kantonist galt der angeblich krebskranke 75-Jährige allemal. Und so werden ihm wie im Sudan selbst auch die Nachbarn nicht nachtrauern – sondern es mit dem oder den Neuen versuchen. (Gudrun Harrer, 13.4.2019)